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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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kann. Während in Bad Randersau gestreifte Blusen zu karierten Röcken getragen werden, bevorzugen Kölner Teenager vielleicht gerade Blümchenpullis und grün-gelb-geringelte Kniestrümpfe.
    Derartigen Extravaganzen begegnet man allerdings nur an sehr heißen Sommertagen. Ein modebewußter Teenager, gleich welchen Geschlechts, geht vom Nabel abwärts uniformiert und trägt Jeans. Selbstverständlich nur die echten, die von 70 Mark an aufwärts kosten und an deutlich sichtbarer Stelle den Markennamen aufweisen. Auf dieses Statussymbol wird dann auch größter Wert gelegt. Löcher und kleinere Dreiangel stören keinen Teenager, sobald sich aber das Firmenetikett löst, greift er notfalls selbst zur Nähnadel.
    Der Einkauf von Jeans ist eine zeitraubende Sache und stellt die Geduld der zahlenden Begleitperson auf eine harte Probe (ich gehe in der Zwischenzeit immer Kaffee trinken). Jeans dürfen nicht bequem, sondern müssen eng sitzen, ohne Rücksicht auf anatomische Hindernisse. Hat der Teenager nach etwa 40 bis 60 Minuten und zirka zwei Dutzend Anproben das ihm genehme Stück erwählt, marschiert er nach Hause und unterwirft es einer Spezialbehandlung. Sascha hat es darin schon zur Perfektion gebracht.
    Zuerst kommen die Jeans in die Badewanne, werden mit kochendheißem Wasser überbrüht und bleiben zehn Minuten lang darin liegen. Dann wird die tintenblaue Flüssigkeit abgelassen. Anschließend läßt man frisches Wasser in die Wanne, das nach einem nur Sascha bekannten Rezept mit allen vorhandenen Spülund Reinigungsmitteln angereichert wird. Besonders wichtig ist die jeweilige Dosierung, und Sascha benimmt sich dabei auch wie ein Apotheker, von dessen Sorgfalt bei der Herstellung eines Medikaments Menschenleben abhängen.
    Auch die Reihenfolge der Zutaten ist genau festgelegt. Zuerst wird Waschpulver gebraucht. Es soll eigentlich nur einer bleibenden Verschmutzung der Wanne vorbeugen, weshalb das Fabrikat eine sekundäre Rolle spielt. Dann kommt ein bißchen Einweichmittel dazu, eine Prise Entfärber, ein Schuß Geschirrspülmittel und eine halbe Flasche Fußbodenreiniger. In dieser Marinade muß die Hose nun eine knappe Stunde liegen, bevor die genau dosierte Menge eines chlorhaltigen Toilettenreinigers dazugekippt wird. Angeblich entzieht er dem so behandelten Kleidungsstück etwas Farbe und verleiht ihm die erwünschte Patina.
    Nach genau fünf Minuten muß die Hose aus dem Wasser heraus, wird mit der Brause abgesprüht und anschließend durch den Schleudergang der Waschmaschine georgelt. Dann kommt sie auf den Bügel, wird zurechtgezupft und stündlich überprüft. Wenn sie sich anfühlt, als habe sie eine Nacht lang im Herbstnebel auf der Wäscheleine gehangen, ist sie ›richtig‹.
    Nunmehr ruft Sascha alle abkömmlichen Familienmitglieder zusammen, die das jetzt folgende Spektakel jedesmal mit der gleichen Faszination beobachten, die sie schon beim erstenmal befallen hatte. Sascha legt sich auf den Fußboden und windet sich in das feuchte Kleidungsstück hinein. Bis zur Hüfte schafft er es allein, dann müssen die anderen helfen. Rolf zieht hinten, ich ziehe vorne. Sascha vollführt epileptische Zuckungen, ignoriert väterlichen Sarkasmus und behauptet, irgendetwas pieke »da hinten«. Fachmännisch untersucht Sven den fraglichen Bereich, entdeckt das vergessene Preisschild, entfernt es grinsend. Mit vereinten Kräften wird Sascha hochgehievt und an die Wand gelehnt.
    Kleine Atempause.
    Der Hosenbund läßt sich relativ einfach schließen, man darf nur nicht atmen. Der Reißverschluß klafft auseinander. Sven zieht, kriegt ihn bis zur Hälfte hoch, gibt auf. Sascha läuft langsam blau an, keucht etwas Ähnliches wie »Nun zieh' doch schon, du Armleuchter!« hilft selbst mit, schafft es schließlich. Allgemeines Aufatmen.
    Sascha versucht ein paar vorsichtige Schritte – wider Erwarten platzt die Hose nirgends auf –, stelzt breitbeinig durch das Zimmer und bekundet wortreiches Erstaunen ob der Tatsache, daß Babys mit nassen Windeln nicht pausenlos schreien.
    Erster Versuch einer angedeuteten Kniebeuge. Geht noch nicht. Treppensteigen ist schon eher möglich. Dreimal rauf und runter, dann klappt es auch mit der Kniebeuge. Allerdings nur 30 Zentimeter tief. Sascha nimmt vorsichtig auf einem Küchenstuhl Platz. In die Sessel darf er nicht mehr. In einem zeugt noch immer ein lichtblauer Fleck von früheren Anproben. Mit weit von sich gestreckten Beinen sitzt Sascha auf der Stuhlkante und macht

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