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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Zeichnung wirft und lakonisch meint: »Reizt mich nicht, ich mache mir doch nichts aus Schokolade.«
    »Aber wenn du nun Schokolade essen würdest …?« versucht Rolf seinen Ältesten zu einer positiven Äußerung zu bewegen.
    »Dann würde ich die Schokolade essen und nicht das Papier!«
    »Aber letzten Endes müßtest du doch die Schokolade erst einmal kaufen, und da ist die Verpackung ein wichtiger Faktor. Woran würdest du dich denn orientieren?«
    »An der Geschmacksrichtung. Und da ist es mir völlig wurscht, ob auf dem Einwickelpapier eine Kuh prangt oder eine Kaffeebohne.«
    Ich werde erst gar nicht gefragt. Immerhin hat es fast zehn Jahre gedauert, bis Rolf dahinterkam, daß ich seine Schöpfungen grundsätzlich großartig finde und mit etwas Fingerspitzengefühl sogar die Details seiner Werke besonders bewundere, auf die es ihm ankommt. Ganz fair ist diese Methode nicht, aber sie sichert den häuslichen Frieden.
    Früher hatte ich allerdings meine Aufgabe sehr ernst genommen und mit meiner Kritik nicht hinter dem Berg gehalten. Die anschließenden Diskussionen endeten aber meistens mit knallenden Türen seitens des beleidigten Künstlers und der durchaus berechtigten Feststellung: »Du hast doch sowieso keine Ahnung!«
    »Weshalb fragst du mich dann überhaupt?« heulte ich zurück.
    »Das weiß ich auch nicht. Und ich kann nur hoffen, daß nicht alle Verbraucher unter ähnlichen Geschmacksverirrungen leiden wie du!«
    Nachdem ich oft genug ins Fettnäpfchen getreten war, wurde ich diplomatischer, fand alles großartig und je nach Wunsch ›ganz naturgetreu‹ oder ›wirklich ziemlich avantgardistisch‹ und hatte meine Ruhe. Übrigens sind diese häuslichen Debatten reine Kraftverschwendung. Letzten Endes entscheidet der Auftraggeber, und der hat meistens einen ganz anderen Geschmack als Rolf. Natürlich einen viel schlechteren.
    Sascha wird auch nicht mehr um seine Meinung gebeten. Nicht, weil er grundsätzlich alles idiotisch findet, was man sagt oder tut, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt, sondern weil er seinem Vater jedesmal vorwirft, mit der Dummheit seiner Mitmenschen zu spekulieren. So betrachtete er einmal nachdenklich den Entwurf, auf dem ein halbes Dutzend Heringe mit verzückten Blicken zu einer geöffneten Blechdose strebten, sichtlich bemüht, möglichst schnell die konservierende Behausung zu erreichen.
    »Und wo sind die Gräten?« wollte Sascha wissen.
    »Welche Gräten?«
    »Wenn das Preisschild da oben in der Ecke stimmt, soll eine Dose Heringe 79 Pfennig kosten. Dafür kann die doch angeblich so notleidende Fischindustrie bestenfalls Gräten in die Büchse packen. Du täuscht aber vor, daß mindestens sechs wohlgenährte Heringe reinkämen. Das ist doch glatter Betrug.«
    »Jetzt redest du Unsinn. Jede Hausfrau weiß, daß sechs Heringe mehr als ein halbes Pfund wiegen, und hier steht ganz deutlich: Gewicht 240 Gramm. Das dürfte ungefähr einem dreiviertel Hering entsprechen.«
    »Na siehste! Dann zeichne also auch nur einen dreiviertel Hering!«
    »Ich mache doch keine Reklame für Fischmehl!«
    »Nein, sondern für zarte Heringsfilets in einer auserlesenen Marinade. Hast du die schon probiert?«
    »Natürlich nicht, das Zeug ist doch noch gar nicht im Handel!«
    »Wie kannst du dann wissen, ob die Marinade wirklich auserlesen ist?«
    Rolfs Stirnadern schwollen in bedenklicher Weise an. »Herrgottnochmal, ich muß doch nicht alles konsumieren, wofür ich werbe. Glaubst du vielleicht, die Herren Brenninkmeyer tragen ihre Anzüge selber, die sie für hundertneunundzwanzig fünfundsiebzig ihren Kunden anbieten?«
    »Natürlich nicht, die ziehen Maßanzüge an. Und du ißt auch lieber geräucherten Heilbutt statt mickriger Fische für neunundsiebzig Pfennig. Die willst du bloß anderen andrehen.«
    »Kein Mensch wird gezwungen, sie zu kaufen.«
    »Das nicht, aber jeder soll auf deine gemalten Angelköder reinfallen. Warum kannst du nicht auf anständige Weise Geld verdienen?«
    »Zum Beispiel wie?«
    Sascha sah sich etwas in die Defensive gedrängt, fand aber ziemlich schnell einen Ausweg. »Beispielsweise als Schauspieler. Da würden die Leute nur Geld bezahlen, wenn sie dich sehen wollen, und nicht wie bei den Heringen, für die sie Geld hinblättern, weil sie irgend etwas essen müssen.«
    »Sie können ja Leberwurst aufs Brot schmieren.«
    »Na schön, das könnten sie. Aber bleiben wir mal beim Schauspieler. Um Erfolg zu haben und genügend Geld zu verdienen, mußt du

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