Jeans und große Klappe
Leistung bringen, also du mußt gut sein. Sonst will dich keiner sehen, und das Theater bleibt leer.«
»Und woher, mein neunmalkluger Herr Sohn, wollen die Zuschauer wissen, ob ich gut bin? Das können sie doch erst beurteilen, wenn sie eine Vorstellung gesehen haben. Und dazu müssen sie zunächst einmal eine Eintrittskarte kaufen. Genau wie bei den Heringen. Man probiert sie erst einmal. Wenn sie nichts taugen, nimmt man das nächstemal ein anderes Fabrikat.«
Sascha gab sich noch immer nicht geschlagen. »Aber bis es so weit ist, haben mindestens fünf Millionen Hausfrauen fünf Millionen Dosen gekauft, und der Konservenboß hat seinen Gewinn gemacht. Bei einem Schauspieler genügen fünfhundert Eintrittskarten. Dann weiß man, ob er etwas taugt oder nicht.«
»Aber nur deshalb, weil du am nächsten Tag in der Zeitung nachlesen kannst, wie dem Kritiker mit Freikarte das Stück gefallen hat. Vielleicht hatte der aber gerade Magenschmerzen oder einen Steuerbescheid gekriegt. Das ist doch alles subjektiv! Wie bei den Heringen. Wenn sie Frau Meier nicht mag, dann mag sie vielleicht Frau Müller um so lieber.«
»Trotzdem gehörst du auch zu den Leuten, die auf Kosten der Unwissenheit ihrer Mitmenschen leben und deren Bedürfnisse manipulieren.«
»Du lebst aber auch davon, mein Sohn, vergiß das nicht.«
»Ja leider. Aber ich werde später bestimmt auf eine humanere Art mein Geld verdienen.«
»Das bleibt dir unbenommen. Und damit es möglichst schnell so weit ist, schlage ich dir vor, deine weltverbessernden Ansichten bis auf weiteres für dich zu behalten und lieber deine Hausaufgaben zu machen. Oder sollten die schon fertig sein?«
»Wenn du nicht weiter weißt, schweifst du immer vom Thema ab«, protestierte Sascha und trollte sich. Gleich darauf war er wieder da. »Sag mal, Paps, kannst du die Oberfläche einer Pyramide berechnen?«
(Erwachsenenbildung wird es geben, solange die Kinder Hausaufgaben machen.)
Leider ist Rolf nicht bereit, die von ihm forcierte Konsumfreudigkeit auch auf sich selbst zu beziehen, und so werde ich zu Weihnachten meist mit sehr nützlichen und praktischen Dingen beglückt. Im vergangenen Jahr war es das Kaffeeservice, das wir ohnehin dringend brauchten, und im Jahr davor die Stehlampe fürs Wohnzimmer. Die neuen Terrassenmöbel bekam ich zum Geburtstag und den Teewagen, auf dem Rolf jetzt seine Flaschen und Gläser spazierenfährt, zum zehnten Hochzeitstag. Auch die Kinder haben sich schon angewöhnt, mich als Mittelsmann für ihre Wünsche einzuplanen. So hörte ich einmal, wie Sven seinem Vater vorschlug: »Du könntest Määm bei nächster Gelegenheit mal einen neuen Fön schenken. An dem alten habe ich mir schon ein paarmal die Finger verbrannt!«
Einmal habe ich den Spieß umgedreht und Rolf zu seinem Geburtstag einen elektrischen Rasenmäher gekauft in der Hoffnung, er würde diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Weit gefehlt! Der Gartenmuffel, dessen Interesse sich nur noch auf die beiden Erdbeerbeete beschränkt hatte, verspürte plötzlich einen Hang zu körperlicher Betätigung und beschloß, den Rasen zu schneiden, obwohl der es ausnahmsweise noch gar nicht nötig hatte. Nachdem er zweimal die Schnur durchgesäbelt und mit der Strippe eine Buschrose geköpft hatte, verpflichtete er die Jungs als Kabelträger. Die schützten aber bald dringende Verabredungen vor, und so mußte ich einspringen. Dabei ist es bis heute geblieben.
Zu Weihnachten werde ich ihm trotzdem einen Staubsauger schenken. Ich brauche dringend einen neuen!
Apropos Weihnachten, Fest des Friedens (und der Geschäftsleute)! Bei uns herrscht in den Wochen davor permanenter Kriegszustand, und seit zwanzig Jahren trage ich mich mit der Absicht, spätestens am zweiten Advent in ein mohammedanisches Land auszuwandern. Bis nach Köln bin ich sogar schon einmal gekommen. Dort wurde ich von meiner Freundin herzlich begrüßt und sofort mit der Aufsicht über ihre drei Töchter betraut, die gemeinsam Kekse fabrizierten. Da ich genau aus diesem Grunde von zu Hause getürmt war, beschränkte ich meinen Besuch auf die Dauer von zwei Stunden und fuhr weiter zu einer guten Bekannten nach Düsseldorf, die alleinstehend und über Logiergäste immer sehr erfreut ist. Ihr sollte ich beim Zuschneiden von Puppenkleidern für den Wohltätigkeitsbasar helfen.
Eine andere Freundin, seit jeher allen Traditionen abhold und deshalb wohl von dem Weihnachtsrummel nicht befallen, hatte ihr Apartment in eine Schreinerei
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