Jeans und große Klappe
anzufertigen. Ich bin keine. Trotzdem muß ich selber backen, die Familie wünscht das so. Sie beteiligt sich auch daran und übernimmt unaufgefordert die Endkontrolle der Produkte. Seit zwei Jahren allerdings widmet sich Stefanie der Plätzchenfabrikation, unterstützt von Nicole und Katja. Ich werde an den Backtagen aus der Küche verbannt, muß mich aber zur Verfügung halten. Sozusagen als Katastrophenschutz. Gelegentlich kommt es nämlich vor, daß die Zuckerbäcker ihre ganze Aufmerksamkeit dem Dekor von Jamaika-Kringeln schenken, während sich das Schlesische Schokoladenbrot im Ofen in Holzkohle verwandelt. Etwas Ähnliches mußte wohl auch mit den letztjährigen Honigkuchen passiert sein. Sie erinnerten in ihrer Konsistenz an Hundekuchen, ließen sich weder mit einem Messer noch durch sanfte Schläge mit dem Hammer zerteilen und wurden von Sven schließlich kunstgerecht zersägt und anschließend bemalt. Gegessen wurden sie übrigens nie, aber sie haben sehr dekorativ ausgesehen.
9
Anfang Oktober beschließt der Nachwuchs Sparmaßnahmen. Der Verbrauch von Zeitschriften und Kaugummi wird eingeschränkt oder doch zumindest geplant. Ich bekomme das Taschengeld zur Aufbewahrung, muß es aber ratenweise wieder herausrücken, weil unvorhergesehene Ausgaben anstehen.
Die Zwillinge stopfen Taschengeld und zusätzliche Einnahmen in ihre Spardosen, fischen sich aber in regelmäßigen Abständen die Münzen unter Zuhilfenahme von Stricknadeln oder Küchenmessern wieder heraus. Die Finanzierung der Weihnachtsgeschenke ist somit keineswegs gesichert.
Schließlich hat Nicole den rettenden Einfall.
»Weißt du, Katja, wenn wir das nächste Taschengeld kriegen, stecken wir es in die Plastikschweine, lassen Wasser drauf und stellen sie in die Tiefkühltruhe. Dann kommen wir an das Geld nicht mehr ran, selbst wenn wir wollen. Und kurz vor Weihnachten tauen wir es auf!«
Ab November beginnen die Heimarbeiten. Ende November sind sie über das Stadium der Vorbereitungen noch immer nicht hinausgekommen, was eine zunehmende Gereiztheit der Heimwerker zur Folge hat. Stefanie beschließt, ihrer Großmutter statt der geplanten Tischdecke mit Hohlsaum lieber nur ein handgesäumtes Taschentuch zu schenken. Die Zwillinge wollen der Omi ein Einkaufsnetz knüpfen. Als es zwei Tage vor Heiligabend schließlich fertig ist, kann man bestenfalls ein halbes Pfund Butter und eine Rolle Nähseide darin transportieren.
»Macht doch nichts«, erklärt Katja unbeirrt, »dann nimmt es in der Handtasche nicht so viel Platz weg!«
Sascha ist ein Gegner von Selbst gemachtem, dabei hätte er sogar Talent, weil er als einziger die künstlerische Begabung seines Vaters geerbt hat. Andererseits ist er faul.
»Ich kaufe Paps lieber etwas Vernünftiges. Kürzlich habe ich einen Schreibtisch-Boy aus Chromstahl gesehen, der würde ihm bestimmt gefallen. Und wenn du mir vielleicht mein Taschengeld für Januar vorstrecken könntest …«
Sascha bekommt den Vorschuß, braucht ihn dann aber dringend für eine Platte von Udo Lindenberg. Der Schreibtisch-Boy, den er schließlich seinem Vater schenkt, ist aus gelbem Plastik und kostet 3,95 Mark. Stefanie versucht meistens, das Unerläßliche mit dem Nützlichen zu verbinden. So hörte ich zufällig, wie sie zu Sven sagte: »Ich weiß gar nicht, was ich Mami diesmal schenken soll – sie hat schon alles, was ich brauchen kann.«
Sven laubsägt. Früher bekam ich Sterntaler und Dornröschen, dann arbeitete er sich über Frühstücksbrettchen und wackelnde Kerzenhalter bis zu Gewürzständern vor, und jetzt bastelt er schon Vogelhäuser. Zwei Stück habe ich bereits. Eins für Spatzen, das andere für Meisen. Da die Vögel bedauerlicherweise nicht lesen können, ignorieren sie die wetterfesten Namensschilder und fechten weiterhin erbitterte Revierkämpfe aus.
Je näher das Weihnachtsfest rückt, desto hektischer wird die Betriebsamkeit. Kaum ist der Streit geschlichtet, ob Gans oder Pute aufgetischt werden soll (man entscheidet sich für Pute, weil die bekömmlicher ist, obwohl wir alle viel lieber Gans essen), will Nicki wissen, warum wir noch keinen Weihnachtsbaum hätten und ob Bettina während der Feiertage bei uns schlafen könne. »Die kriegen nämlich so viel Besuch.«
Wir bekommen ausnahmsweise keinen. Jedenfalls hat sich niemand angemeldet.
Katja erkundigt sich, ob es auch in diesem Jahr wieder die Marmelade im Nachthemd gibt, wird von ihrem Vater aber belehrt, daß das Gebäck ›Äpfel im
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