Jeans und große Klappe
Mahlzeiten täglich, viel Streicheln, eine lange Leine. Nicht beim Essen stören. Und zwischendurch ein bißchen Dressur.«
»Ich bin aber nicht als Dompteur auf die Welt gekommen!« Ich kippte den fünften Cognac. Oder war's schon der sechste?
Das Telefon klingelte schon wieder. Frau Keks verleugnete mich zum drittenmal und empfahl Rolf, sich doch mal mit der Hafenpolizei in Verbindung zu setzen, ich hätte erst unlängst Auswanderungspläne geäußert. Dann brachte sie mich ins Bett, weil ich – vollgetankt mit Selbstmitleid und Alkohol – abwechselnd aus dem Fenster springen und mich erschießen wollte.
»Jetzt verzichten Sie auf Ihren Urlaub und erholen sich erst mal gründlich«, sagte Frau Keks, zog die Vorhänge zu und überließ mich einem zwölfstündigen Dauerschlaf.
Mein Urlaub vom Urlaub dauerte genau vier Tage, dann war die Familie wieder da. Angeblich hatte ihr schlechtes Gewissen sie zurückgetrieben. Ich vermutete aber viel eher, daß der ungewohnte Verzicht auf Köchin, Waschfrau, Dienstmädchen und Putzhilfe ihnen die Ferien vergällt hatte. Nun hatten sie ihren dienstbaren Geist wieder, und der wiederum war froh, auf die Segnungen der Zivilisation zurückgreifen zu können. Aber die Dieselölflecken sind auch in der Waschmaschine nicht mehr herausgegangen.
Übrigens meinte Rolf kürzlich, den nächsten Urlaub könnten wir doch mal in den Bergen verbringen. Es gebe dort ganz entzückende und sehr komfortabel ausgestattete Ferienhäuser zu mieten …
»Das Wohnzimmer könnte auch mal wieder eine Renovierung vertragen! Bei eurer Qualmerei ist es ja auch kein Wunder, wenn die Tapete schon wieder so einen ockergelben Farbton hat!« Sascha fischte sich geistesabwesend eine Zigarette aus der Packung, nahm mir das Feuerzeug aus der Hand, und während er genüßlich Rauchringe an die Gardine blies, prüfte er die einstmals weißen Wände. »Die sehen aus, als hätten sie in Kürze fünfzigjähriges Jubiläum. Haben wir die nicht erst vor zwei Jahren machen lassen?«
Nur mit Schaudern erinnerte ich mich noch an die beiden Herren, die sich mehr für Katjas Mickymaushefte interessiert hatten als für ihre Farbtöpfe, die den Kleister mehr auf den Teppichböden als auf den Tapeten verteilt hatten und die nach anderthalbtägigem Wirken unter Hinterlassung von leeren Bierdosen, zerknülltem Zeitungspapier und zwei zerbrochenen Leitersprossen endlich wieder verschwunden waren. Eine erneute Demonstration ihrer Tüchtigkeit schwebte mir nun nicht gerade als Urlaubsgestaltung vor. Darüber hinaus gibt es bekanntlich drei Wege, die zum sicheren finanziellen Ruin führen: Kinder, Spielbanken und Handwerker!
»Wer redet denn von Handwerkern?« schob Sascha meinen Protest beiseite. »So was macht man selber. Wozu haben wir denn Rauhfasertapeten? Die braucht man doch bloß zu überpinseln. Das schaffe ich sogar ohne Leiter!«
Damit hatte er zweifellos recht. Mit seinen einszweiundachtzig überragte er mittlerweile die ganze Familie, und ein Ende war noch immer nicht abzusehen. Neue Hosen trug er bestenfalls fünf Monate, dann waren sie zu kurz, und er vererbte sie seinem großen Bruder, der genau einen Kopf kleiner war. Abgesehen von den finanziellen Mehraufwendungen störte mich Saschas Wachstum auch aus anderen Gründen: Ohrfeigen verlieren ihre pädagogische Wirkung, wenn man zur Verabreichung derselben erst auf einen Stuhl steigen muß! Nur Rolf frohlockte, als Sascha die 180-cm-Marke überschritten hatte: »Endlich ist er aus meinen Hemden und Pullovern herausgewachsen!«
Die Sommerferien gingen dem Ende zu, bei der Jugend machte sich Langeweile breit, und so begrüßte sie dankbar die Abwechslung, die von der geplanten Renovierung mit Sicherheit zu erwarten war.
»Wir helfen alle mit, dann schaffen wir das glatt in einem halben Tag«, versicherte Sven, »und wenn wir sowieso schon die ganzen Möbel rausschmeißen müssen, dann können wir hinterher auch gleich ein bißchen umbauen. Das Bücherregal müßte auf die andere Seite und die Sesselgarnitur da drüben hin. Dann sitzen wir auch nicht ewig auf dem Präsentierteller, wenn die Terrassentür offen ist.«
Zweifellos stimmte das, aber an eine vollständige Demontage des Bücherregals dachte ich nur mit Grausen. Es handelt sich bei diesem Unding keineswegs um ein solides Möbelstück, sondern um eine innenarchitektonische Schöpfung meines Mannes, an der vier oder fünf verschiedene Tischler mitgewirkt haben. Angefangen halte es ganz harmlos mit einem
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