Jeden Tag ein Happy End
außergewöhnlich und selten dieses Gefühl wirklich ist, bis es zu spät war.
Aber es war ja gar nicht zu spät. Noch nicht.
Mit zitternden Händen bezahlte ich das Taxi. Ich versuchte, tief ein- und auszuatmen, während ich langsam von eins bis zehn zählte. Nach »drei« hatte ich den Faden verloren. Ein fröhlicher Strauß bunter Blumen fiel mir im Deli an der Ecke ins Auge, und ich kaufte schnell noch Flieder und eine Packung Kaugummis.
Hinter Melindas Fenster brannte Licht. Die letzten Schritte hinauf zu ihrer Haustür waren die schwersten. Ich war dabei, alles auf eine Karte zu setzen, und falls ich verlieren sollte, hatte ich keinen Plan B. Ich streckte die Hand nach der Klingel aus.
Dann erstarrte ich. Wenn sie schon nicht ans Telefon ging, würde sie mir wohl kaum die Tür aufmachen. Sie könnte mein Klingeln einfach ignorieren, ohne mich dabei sehen oder mir zuhören zu müssen. Ich hätte eine viel größereErfolgschance, wenn ich direkt vor ihrer Wohnungstür stand.
Oder vor ihrem Fenster.
Schon kletterte ich wieder die Feuerleiter hoch. Zum Glück hatte ich das schon einmal bei Tageslicht geübt. Ich lehnte mich über das Geländer und spähte in die Wohnung. Das Zimmer war leer. Ich sah nach, ob ich mich auch wirklich im richtigen Stock befand. An den kahlen Wänden waren Umzugskartons aufgestapelt. Die Fotos waren weg. Die Möbel waren weg. Und kein Zeichen von Melinda.
Trotzdem, das Licht war an, also war sie wahrscheinlich gerade im Schlafzimmer. Wie sollte ich sie auf mich aufmerksam machen? Ich hatte das alles nicht richtig bis zum Ende durchdacht, ich war einfach davon ausgegangen, dass sie sofort von meinem Charme überwältigt wäre, wenn ich à la Romeo mit einem Fliederstrauß in der Hand vor ihrem Fenster auftauchte. Ich überlegte immer noch hin und her, als ich ein Geräusch aus der Wohnung hörte. Da kam Melinda auch schon um die Ecke. Oder genauer gesagt ein großer Karton mit sehr wohlgeformten Beinen darunter.
Ich klopfte leicht an das Fenster. Der Karton senkte sich ein paar Zentimeter, und ein überraschtes Gesicht tauchte auf. Das Gesicht von Alexanders Mutter. Sie schrie auf. Ich schrie ebenfalls auf. Der Karton fiel zu Boden. Die Blumen ebenfalls. Sie schrie noch einmal. Man hörte Glas zerbrechen. Wahrscheinlich in dem Karton, der zu Boden gefallen war. Ganz sicher weiß ich das nicht, weil ich zu diesem Zeitpunkt bereits die Metalltreppe hinunterraste und hoffte, sie hätte mich vielleicht nicht erkannt. Obwohl ich genau wusste, dass dafür keine Hoffnung bestand.
S. O. S.
D ie Strahlen der Frühlingssonne bahnten sich einen Weg durch die zugezogenen Jalousien. Aber es war der düsterste Tag in meinem Leben.
»Hast du wenigstens die Polizei gerufen?«, fragte Hope.
Ich sah sie ungläubig an. »Damit die mich festnehmen, oder was?«
»Damit jemand nachsieht, ob es der Frau gut geht.«
Ich bewunderte Hope oft dafür, dass sie so eine pflichtbewusste Ärztin war. In diesem Moment jedoch nicht.
»Vielleicht hat sie vor Schreck einen Herzinfarkt bekommen«, sagte Hope. »Vielleicht liegt sie gerade bewusstlos in der Wohnung auf dem Boden.«
»Ich fahr jetzt sicher nicht noch mal zurück und sehe nach dem Rechten.«
»Seit wann bist du eigentlich so ein Arschloch?« Hope war stocksauer. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es wahrscheinlich mehr an A. J. als an mir lag. »Gibt’s denn in dieser Stadt keinen einzigen Mann mehr, der auch nur ein bisschen Anstand hat?«
Man musste A. J. zugutehalten, dass er sich tatsächlich irgendwann gemeldet hatte. Was man ihm nicht zugutehalten konnte, war die Tatsache, dass er Hope mit seinem Anruf lediglich über seine bevorstehende Hochzeit informierte. Er gab zu, die ganze Zeit über schon verlobtgewesen zu sein, während er sich mit Hope getroffen hatte. Ich persönlich fand ja, er wäre mit der Ausrede »Es hat nichts mit dir zu tun, es liegt an mir!« besser gefahren.
»Es ist ja wohl kein großes Ding, mal eben die 110 zu wählen«, schimpfte Hope weiter vor sich hin, während sie sich meine Frosties schmecken ließ, die sich bei Liebeskummer als überraschend wirksame Medizin erwiesen hatten. »Du hättest nicht mal deinen Namen sagen müssen.«
»Schon mal daran gedacht, dass sie vielleicht selbst die Polizei gerufen haben könnte? Unter Umständen läuft schon längst ein Haftbefehl gegen mich, während wir hier rumquatschen.«
»Wenn die Polizei nach dir fahnden würde, hätte sie dich ja mittlerweile wohl
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