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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Protokolle folgen noch, aber dieses ist das wichtigste. Bitte, Herr Obergruppenführer.»
    «Klabautermann?» fragte Prall, scharf nachdenkend.
    «Das ist doch der Kerl mit den Karten. Na, ist Ihnen da doch was eingefallen, Escherich, wie ich Ihnen befohlen habe?»
    «Zu Befehl, Herr Obergruppenführer. Wenn Herr Obergruppenführer das Protokoll lesen würde?»
    «Lesen? Nee, nicht jetzt. Später vielleicht mal. Lesen Sie jetzt mal vor, Escherich!»
    Aber er unterbrach die Vorlesung nach den ersten drei
    Sätzen. «Wollen erst noch mal einen genehmigen. Prost, Escherich! Heil Hitler!»
    «Heil Hitler, Herr Obergruppenführer!»
    Und nachdem er ausgetrunken hatte, fing Escherich wieder mit Vorlesen an.
    Aber nun war dem alkoholisierten Prall ein neckisches Spiel eingefallen. Immer, wenn Escherich drei, vier Sätze gelesen hatte, unterbrach er ihn mit einem «Prost!», und Escherich mußte, nachdem er auch geprostet hatte, wieder von vom anfangen. Nie ließ Prall ihn über die erste Seite hinauskommen, schon unterbrach er ihn mit einem neuen
    «Prost!» Er sah wohl - trotz all seiner Besoffenheit -, wie es in dem Manne arbeitete, wie das scharfe Getränk ihm widerstand, daß er zehnmal die Lust hatte, das Protokoll hinzulegen und fortzugehen, und wie er es nicht wagte, weil der andere eben der Vorgesetzte war, wie er kuschen mußte, sich den Zorn nicht merken lassen durfte ...
    «Prost, Escherich!»
    «Danke gehorsamst, Herr Obergruppenführer! Prost!»
    «Na, nun lesen Sie doch weiter, Escherich! Nee, fangen Sie noch mal wieder von vorne an. Die eine Stelle ist mir
    noch nicht ganz aufgegangen. Immer ein langsamer Denker gewesen ...»
    Und Escherich las. Ja, jetzt wurde er genauso gequält, wie er vor zwei Stunden den schmächtigen Kluge gequält hatte, genau wie den plagte auch ihn nur das Verlangen, aus der Tür herauszukommen. Aber er mußte lesen, lesen und trinken, trinken und lesen, solange das dem andern beliebte. Er fühlte schon, wie es flockig, wolkig in seinem Kopf zog - seine gute Arbeit, ade! Verdammte Zucht!
    «Prost, Escherich!»
    «Prost, Herr Obergruppenführer!»
    «Na, denn lesen Sie noch mal von Anfang an!»
    Bis dieses Spiel dem Prall plötzlich langweilig wurde, bis er grob sagte: «Ach, lassen Sie doch diese blöde Vorleserei! Sie sehen doch, ich bin besoffen, wie soll ich denn da das Zeugs kapieren? Wollen sich wohl mit Ihrem geistreichen Protokoll dicketun, was? Andere Berichte folgen, sind nicht so wichtig wie der vom großen Kriminalisten Escherich! Wenn ich schon so was höre! Kurz und Furz: Haben Sie den Kartenschreiber geschnappt?»
    «Zu Befehl, nein, Herr Obergruppenführer. Aber ...»
    «Und warum kommen Sie denn da zu mir? Warum stehlen Sie mir meine kostbare Zeit und saufen mir den schönen Armagnac weg?» Dies war nun schon reines Ge-brüll. «Sie sind wohl ganz wahnsinnig geworden, Herr?
    Aber mit Ihnen werde ich jetzt in einem andern Ton reden, Herr! Bin viel zu gutmütig gewesen, habe Sie zu frech werden lassen, verstanden?»
    «Zu Befehl, Herr Obergruppenführer!» Und rasch, ehe das Geschrei von neuem losging, stieß Escherich hervor:
    «Aber ich habe jemanden gefaßt, der die Karten verteilt hat. Ich denke wenigstens.»
    Diese Nachricht besänftigte Prall ein bißchen. Er sah den Kommissar mit stieren Augen an und sagte: «Vorführen den Mann! Soll mir sagen, wer ihm die Karten gegeben hat. Werde ihn zwiebeln - bin grade in der Stimmung dazu!»
    Einen Augenblick schwankte Escherich. Er hätte sagen können, daß der Mann noch nicht in der Prinz-AlbrechtStraße war, daß er ihn holen würde - und dann würde er ihn wirklich holen, nämlich von der Straße her oder aus seiner Wohnung, mit Hilfe der Beschatter. Oder aber er würde ruhig aus der Ferne abwarten, bis der Obergruppenführer seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Dann wür-de er wahrscheinlich alles vergessen haben.
    Aber weil Escherich eben der Escherich war, nämlich ein in seinen Sünden gesottener Kriminalist, nämlich nicht feige, sondern er war mutig, und aus dem Mut heraus sagte er (es komme, was da wolle): «Ich habe den Mann wieder auf freien Fuß gesetzt, Herr Obergruppenführer!»
    Gebrüll - nein, du lieber Himmel, was für ein tierisches Gebrüll! Der sonst wirklich für einen höheren Führer recht gesittete Prall vergaß sich doch so weit, daß er seinen Kommissar vor der Brust faßte, ihn hin und her schüttelte und dabei schrie: «Freigelassen? Freigelassen?
    Weißt du, was ich nun mit dir machen werde,

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