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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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verweigern. Also seien Sie vernünftig, setzen Sie sich hierher und erzählen Sie mir alles, was Sie von den Kluges wissen. Wie ist denn die Frau?»
    Natürlich nahm die Gesch Vernunft an. Im Grunde war er ein sehr lieber Herr, dieser Herr von der Gestapo, ganz anders, als sie sich solche Herren vorgestellt hatte. Und natürlich erfuhr Kommissar Escherich alles, was es eben bei der Gesch zu erfahren gab. Sogar von dem SS-Mann Karlemann hörte er, denn was die Eckkneipe wußte, das wußte die Gesch natürlich auch. Der tüchtigen ExBriefträgerin Eva Kluge hätte es das Herz abgedrückt, wenn sie gehört hätte, wie sehr sie und ihr ehemaliger Liebling Karlemann in der Leute Munde waren.
    Als Kommissar Escherich von der Gesch schied, ließ er nicht nur ein paar Zigarren für den Mann zurück, sondern er hatte auch der Gestapo eine eifrige, unbezahlte und unbezahlbare Spionin gewonnen. Sie würde nicht nur auf die
    Wohnung der Kluges ständig ein Auge haben, sondern auch überall im Haus und in den Schlangen vor den Geschäften lauschen und den lieben Kommissar stets sofort anrufen, wenn sie was erfuhr, was er brauchen konnte.
    In Verfolg dieser Unterhaltung rief Kommissar Escherich seine beiden Leute wieder ab. Die Wahrscheinlichkeit, daß man den Kluge in der Wohnung seiner Frau erwischte, war nach dem Erfahrenen ganz gering, außerdem paßte die Gesch auf die Wohnung auf. Dann ging Kommissar Escherich noch auf das Postamt und zu der Parteidienststelle und zog weitere Erkundigungen über diese Frau Kluge ein. Nie konnte man wissen, wozu so was gut war.
    Escherich hätte denen auf der Post und Partei ganz gut sagen können, daß er einen Zusammenhang zu kennen glaubte zwischen dem Parteiaustritt der Frau Kluge und den Schandtaten ihres Sohnes in Polen. Er hätte auch die Adresse von Frau Kluge im Ruppinschen verraten können, hatte er sich doch von dem Brief von der Kluge an die Gesch, als sie die Schlüssel schickte, die Anschrift notiert.
    Aber Escherich tat das nicht, er fragte viel, aber Auskünfte gab er nicht. Wohl war das die Partei und das Postamt, also etwas Amtliches, aber die Gestapo ist nicht dafür da, andern in ihren Geschäften zu helfen. Dafür ist sie sich zu gut - und in diesem Punkte wenigstens teilte Kommissar Escherich die allgemeine Gestapo-Einbildung vollkommen.
    Das mußten auch die Herren in der Fabrik erfahren. Sie trugen Uniform, und sie waren in der Rangstufe und auch vom Gehalt aus gesehen sicher etwas sehr viel Höheres als der farblose Kommissar. Aber er blieb dabei: «Nein, meine Herren, was gegen den Kluge vorliegt, das ist allein Sache der Geheimen Staatspolizei. Darüber sage ich nichts. Ihnen eröffne ich nur, daß Sie den Kluge anstandslos kommen und gehen lassen, wie er Lust hat, daß es keine Anschnauzereien und Verängstigungen mehr gibt, und daß Sie den durch mich ausgewiesenen Beamten anstandslos Zulaß in Ihrem Betrieb geben und ihre Arbeit, soweit das in Ihrer Macht steht, unterstützen werden. Haben wir uns nun verstanden?»
    «Ich bitte um eine schriftliche Bestätigung dieser Anordnungen!» rief der Offizier. «Und das heute noch!»
    «Heute noch? Das wird ein bißchen spät. Aber vielleicht morgen. Vor morgen kommt der Kluge bestimmt nicht.
    Wenn er überhaupt wieder hierher kommt! Also dann, Heil Hitler, meine Herren!»
    «Gottverdammich!» knirschte der Offizier. «Diese Kerle werden immer anmaßender! Die ganze Gestapo soll der Henker holen! Die denken, weil sie jeden Deutschen einstecken können, dürfen sie sich alles erlauben. Aber ich bin Offizier, ich bin sogar Berufsoffizier ...» «Was ich noch sagen wollte ...» der Kopf Escherichs erschien wieder im Türspalt, «hat der Mann vielleicht hier noch Papiere, Briefe, persönliches Eigentum?»
    «Da müssen Sie seinen Meister nach fragen! Der hat einen Schlüssel zu seinem Schrank ...»
    «Also schön», sagte Escherich und sank auf einen Stuhl.
    «Da fragen Sie denn also den Meister danach, Herr Oberleutnant! Aber wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht, ein bißchen schnell, ja?»
    Einen Augenblick tauschten die beiden Blicke. Die Augen des spöttischen, farblosen Escherich und die vor Zorn dunklen des Oberleutnants führten einen Kampf miteinander. Dann schlug der Offizier die Hacken zusammen und verließ eilig den Raum, die gewünschte Auskunft zu besorgen.
    «Ulkige Kruke das!» sagte Escherich zu dem plötzlich eifrig an seinem Schreibtisch beschäftigten Parteibonzen.
    «Wünscht die Gestapo zum Henker.

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