Jeder stirbt für sich allein
du Schwein? Jetzt werde ich dich einstecken, jetzt sollst du mal sitzen! Warte, eine Tausendwattlampe hänge ich dir vor deinen Schnurrbart, und wenn du einschläfst, lasse ich dich wachprügeln, du Aas .»
So ging es noch eine ganze Weile weiter. Escherich ließ sich schütteln und beschimpfen, er hielt ganz still. Jetzt war es vielleicht doch ganz gut, daß er Alkohol getrunken hatte. Ein wenig betäubt durch den Armagnac empfand er alles, was geschah, nur undeutlich, als sei es mehr ein Traumgeschehen.
Schrei du nur! dachte er. Je lauter du schreist, um so eher wirst du heiser. Mach's nur so weiter, gib's dem alten Escherich tüchtig!
Und wirklich, nachdem er sich heiser geschrien, ließ Prall seinen Untergebenen los. Er goß sich ein weiteres Glas Armagnac ein, musterte Escherich mit bösem Blick und krächzte: «Nun melden Sie gefälligst, warum Sie diese Riesendummheit gemacht haben!»
«Zuerst möchte ich melden», sagte Escherich leise, «daß der Mann ständig durch zwei unserer besten Leute vom Präsidium beschattet wird. Ich denke, früher oder später wird er doch seinen Auftraggeber, den Kartenschreiber, aufsuchen. Jetzt leugnet er, ihn zu kennen. Der bekannte große Unbekannte.»
«Ich hätte den Namen schon aus ihm rausgepreßt. Diese Beschatterei - womöglich verlieren die noch den Mann!»
«Die nicht! Die tüchtigsten Leute vom Alex!»
«Na, na!» Aber ersichtlich zog bei Prall wieder besseres Wetter auf. «Sie wissen, ich will diese Eigenmächtigkeiten nicht haben! Ich hätte den Mann lieber in meinen Fingern!»
Das möchtest du! dachte Escherich. Und in einer halben Stunde hast du raus, daß der gar nichts mit den Karten zu tun hat, und fängst wieder an, mich zu hetzen ...
Laut aber sagte er: «Das ist ein so verängstigtes kleines Geschöpf, Herr Obergruppenführer. Wenn Sie den zwiebeln, der sagt Ihnen alles aus, was Sie wollen, und wir laufen hinter hundert Lügen her. So führt er uns glatt zum
Kartenschreiber.»
Der Obergruppenführer lachte: «Na ja, Sie oller Fuchs, also tri nken wir noch ei nen!»
Also tranken sie noch einen.
Der Obergruppenführer sah den Kommissar prüfend an.
Sichtlich hatte sein Zornesausbruch ihm gutgetan, hatte ihn etwas nüchterner gemacht.
Er überlegte, dann sagte er: «Von dem Protokoll da, Sie wissen schon .»
«Zu Befehl, Herr Obergruppenführer!»
«... von dem Protokoll da lassen Sie mir ein paar Abschriften anfertigen. Stecken Sie Ihr geistreiches Machwerk wieder ein.» Beide grinsten. «Hier gerät es womöglich doch noch in den Armagnac ...»
Escherich tat das Protokoll wieder in den Aktendeckel und den Deckel in die Mappe.
Unterdes hatte sein Vorgesetzter in einer Schreibtischschublade gekramt und kam jetzt zurück, eine Hand auf dem Rücken. «Sagen Sie mal, Escherich, haben Sie eigentlich schon das Kriegsverdienstkreuz?»
«Nein, Herr Obergruppenführer.»
«Irrtum, Escherich! Da haben Sie's!» Und er streckte überraschend die bisher verborgene Hand aus, auf deren Fläche das Kreuz lag.
Der Kommissar war so überwältigt, daß er nur einzelne Worte stammeln konnte. «Aber, Herr Obergruppenführer! Nicht verdient ... Finde keine Worte ...»
Alles hatte er während des Anpfiffs fünf Minuten zuvor erwartet, sogar ein paar Tage und Nächte im Bunker hatte er für möglich gehalten, aber daß ihm direkt darauf das Verdienstkreuz überreicht werden würde ...
«... Jedenfalls danke ich gehorsamst.»
Der Obergruppenführer Prall weidete sich an der Überraschung des Dekorierten.
«Na ja, Escherich», sagte er dann. «Sie wissen ja, ich bin gar nicht so. Und schließlich sind Sie ja doch ein ganz tüchtiger Beamter. Man muß Sie nur manchmal ein bißchen auf den Trab bringen, sonst schlafen Sie mir noch ganz ein. Wollen noch mal einen genehmigen. Prost, Escherich, auf Ihr Kreuz!»
«Prost, Herr Obergruppenführer! Und nochmals meinen gehorsamsten Dank!»
Der Obergruppenführer fing an zu schwatzen: «Eigentlich war das Kreuz gar nicht für Sie bestimmt, Escherich.
Eigentlich sollte es Ihr Kollege, der Rusch, kriegen, für ei-ne ganz zackige Sache, die er mit einer ollen Jüdin gedreht hat. Aber Sie kamen eben eher.» Er schwatzte noch eine Weile weiter, drehte dann das Rotlicht über seiner Tür an, was bedeutete: «Wichtige Besprechung! Nicht stören!», und legte sich zum Schlafen auf eine Couch.
Als Escherich, das Verdienstkreuz noch immer in der Hand, sein Büro betrat, saß da sein Vertreter am Apparat und rief: «Was denn?
Weitere Kostenlose Bücher