Jeder stirbt für sich allein
hatte.
Aber auch Otti setzte sich zur Wehr. Nie war Essen für ihn da, nie Geld, nie was zu rauchen. Sie schrie unter seinen Schlägen, daß die Hausbewohner zusammenliefen, und alle nahmen sie Partei gegen Borkhausen, wo sie doch genau wußten, sie war nichts als eine gemeine Nutte. Und dann eines Tages, als er ihr büschelweise die Haare vom Kopf gerissen hatte, tat sie das allergemeinste: sie verschwand auf Nimmerwiedersehen aus der Wohnung und ließ ihn sitzen mit den restlichen vier Gören, von denen bei keinem seine Vaterschaft sicher war. Verdammt noch mal, Borkhausen hatte richtig auf Arbeit gehen müssen, sonst wären sie alle verhungert, und die zehnjährige Paula führte nun die Wirtschaft.
Ein bescheidenes Jahr, ein wahrhaft beschissenes Jahr war das gewesen! Und dazu dieser immer weiterbohrende Haß auf die Persickes, denen er nichts auswischen konnte noch durfte, die ohnmächtige Wut und Eifersucht, als im Hause bekannt wurde, der Baldur käme auf eine Napola, und schließlich das kleine, dünne Wiederaufglimmen von Hoffnung, als er den Suff des alten Persicke beobachtete -
vielleicht - vielleicht doch ...
Und nun saß er in der Wohnung der Persickes, da auf dem Tischchen unter dem Fenster stand der Radioapparat, den Baldur der alten Rosenthal geklaut hatte. Borkhausen war nahe am Ziel, und nun kam es nur noch darauf an, wie er diese Wanze da unverdächtig wegkriegte ...
Borkhausens Augen leuchten auf, wenn er daran denkt, wie Baldur toben würde, wenn er den Borkhausen da am Tisch sitzen sähe. Dieser schlaue Fuchs, der Baldur, aber immer noch nicht schlau genug. Geduld ist manchmal mehr wert als Schlauheit. Und plötzlich fällt Borkhausen ein, wie es der Baldur mit ihm und dem En-no Kluge hatte treiben
wollen, damals, als sie in die Wohnung der Rosenthal eingebrochen waren, das heißt, ein richtiger Einbruch war es ja gar nicht gewesen, sondern eine bestellte Sache ... Borkhausen schiebt die Unterlippe vor, er betrachtet sein während des langen Schweigens sehr zappelig gewordenes Gegenüber nachdenklich und sagt: «Na, dann zeigen Sie mir mal, was Sie in den Koffern haben!»
«Hören Sie mal», die Ratte versucht sich zu widersetzen, «ich glaube, das ist ein bißchen viel verlangt. Wenn mir mein Freund, der Herr Persicke, erlaubt hat - das überschreitet doch Ihre Rechte als Hausverwalter ...»
«Ach, quasseln Sie nicht!» sagt Borkhausen. «Entweder zeigen Sie mir hier, was Sie in den Koffern haben, oder wir beide gehen gemeinsam zur Polizei.»
«Ich brauche es nicht», stellt die Ratte quiekend fest,
«aber ich zeige es Ihnen freiwillig. Mit der Polizei hat man immer bloß Scherereien, und wo jetzt mein Parteigenosse Persicke so krank geworden ist, kann es vielleicht noch Tage dauern, bis er meine Angaben bestätigt.»
«Los! Los! Aufmachen!» sagt Borkhausen plötzlich wild und hat nun doch einen Schluck aus der Flasche genommen.
Die Ratte Klebs sieht ihn an, plötzlich kommt ein hämisches Lächeln in das Gesicht des Spitzels. Aufmachend Durch diesen Ruf hat Borkhausen seine Gier verraten. Er hat auch verraten, daß er nicht der Hausverwalter ist, und wenn er es doch sein sollte, so ist er ein Hausverwalter, der die Absicht hat, ungetreu zu sein.
«Na, Kumpel?» sagt die Ratte plötzlich in einem ganz andern Ton. «Wollen wir nicht Halbe-Halbe machen?»
Und ein Faustschlag schickt ihn zu Boden. Der Sicherheit halber gibt Borkhausen dem Klebs noch zwei, drei Schläge mit einem Stuhlbein nach. So, der wird nicht mucksen die nächste Stunde!
Und dann fängt Borkhausen an, einzupacken, umzupak-ken. Wieder wechselt die ehemals Rosenthalsche Wäsche den Besitzer. Borkhausen arbeitet rasch und völlig ruhig.
Diesmal soll keiner zwischen ihn und den Erfolg treten.
Lieber macht er alle hin, und wenn er die Kohlrübe dafür hergeben muß! Er läßt sich nicht noch einmal neppen.
Und es war dann, eine Viertelstunde später, doch nur ein ganz kurzer Kampf mit den beiden Schupos, als Borkhausen aus der Wohnung trat. Ein bißchen Getrampel und Gezerre nur, dann war Borkhausen gebändigt und gefesselt.
«So!» sagte der kleine Herr Kammergerichtsrat a. D.
Fromm zufrieden. «Und damit, glaube ich, ist es mit Ihrer Wirksamkeit in diesem Hause für immer vorbei, Herr Borkhausen. Ich werde nicht vergessen, Ihre Kinder der Fürsorge zu übergeben. Aber das interessiert Sie wohl weniger. So, meine Herren, und nun müssen wir noch in die Wohnung. Ich will hoffen, Herr Borkhausen, daß
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