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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ich kenne sie doch schon, und so werde ich es auch machen. Freilich, Anna hat Fieber gehabt ...
    Der Kommissar fragte: «Nun, Quangel, Sie sagen ja gar nichts? Wann haben Sie denn die Karte geschrieben?»
    «Ich weiß von der Karte nichts», antwortete er. «Ich kann so was gar nicht schreiben, dafür bin ich zu dumm!»
    «Aber wieso kommt die Karte jetzt in das Buch Ihres Jungen? Wer hat sie denn da reingelegt?»
    «Wie soll ich das wissen?» antwortete Quangel fast grob. «Vielleicht haben Sie die Karte selber reingelegt oder einer von Ihren Leuten! Das hat man schon öfter ge-hört, daß Beweise gemacht werden, wo keine da sind!» «Die Karte ist in Gegenwart von mehreren einwandfrei-en Zeugen in diesem Buch gefunden. Auch Ihre Frau war dabei.»
    «Na, und was hat meine Frau gesagt?»
    «Als die Karte gefunden wurde, hat sie sofort eingestanden, daß Sie der Schreiber sind, und sie hat diktiert. Sehen Sie, Quangel, seien Sie jetzt nicht bockbeinig. Gestehen Sie einfach. Wenn Sie jetzt gestehen, sagen Sie mir nichts, was ich nicht schon weiß. Sie erleichtern aber Ihre Lage und die Lage Ihrer Frau. Wenn Sie nicht gestehen, muß ich Sie zu uns auf die Gestapo nehmen, und in unserm Keller ist es nicht sehr hübsch .»
    In der Erinnerung, was er selbst in diesem Keller erlebt hatte, zitterte die Stimme des Kommissars etwas.
    Er faßte sich aber und fuhr fort: «Wenn Sie aber gestehen, so kann ich Sie gleich dem Untersuchungsrichter übergeben. Dann kommen Sie nach Moabit, da werden Sie gut gehalten, genauso wie alle andern Gefangenen.»
    Aber der Kommissar konnte sagen, was er wollte, Quangel blieb bei seinen Lügen. Escherich hatte eben doch einen Fehler begangen, den der scharfsinnige Quangel sofort bemerkt hatte. Soweit machten das schwerfällige Wesen Quangels und die Mitteilungen seiner Vorgesetzten
    Eindruck auf Escherich, daß er Quangel nicht für den Verfasser der Karten hielt. Er war nur der Schreiber, die Frau hatte sie diktiert ...
    Daß er das aber wiederholte, bewies Quangel, daß Anna nichts gestanden hatte. Das hatte dieser Bruder sich nur ausgedacht.
    Er leugnete immer weiter.
    Schließlich brach Escherich das erfolglose Verhör in der Wohnung ab und fuhr mit Quangel in die Prinz-AlbrechtStraße. Er hoffte jetzt, daß die andere Umgebung, der Aufmarsch der SS-Männer, dieser ganze drohende Apparat den einfachen Mann einschüchtern, ihn seiner Überre-dung zugänglicher machen würden.
    Sie waren im Zimmer des Kommissars, und Escherich führte Quangel vor den Stadtplan von Berlin mit seinen roten Fähnchen.
    «Sehen Sie das mal an, Herr Quangel», sagte er. «Jedes Fähnchen bedeutet eine aufgefundene Karte. Es steckt genau an der Stelle, wo sie gefunden wurde. Und wenn Sie sich nun einmal diese Stellen ansehen», er tippte mit dem Finger, «da sehen Sie ringsherum Fähnchen über Fähnchen, aber hier gar keine. Das ist nämlich die Jablonskistraße, in der Sie wohnen. Da haben Sie natürlich keine Karten abgelegt, da sind Sie zu bekannt ...»
    Aber Escherich sah, daß Quangel gar nicht hinhörte. Ei-ne seltsame, unverständliche Erregung war über den Mann gekommen beim Anblick des Stadtplanes. Sein Blick flackerte, seine Hände zitterten. Fast schüchtern fragte er: «Das sind aber 'ne Menge Fähnchen, wie viele mögen das wohl sein?»
    «Das kann ich Ihnen genau sagen», antwortete der Kommissar, der jetzt begriffen hatte, was den Mann so erschütterte. «Es sind 267 Fähnchen, 259 Karten und 8
    Briefe. Und wieviel haben Sie geschrieben, Quangel?»
    Der Mann schwieg, aber es war jetzt kein Schweigen des Trotzes mehr, sondern der Erschütterung.
    «Und bedenken Sie noch eines, Herr Quangel», fuhr der Kommissar, seinen Vorteil wahrnehmend, fort, «alle diese Briefe und Karten sind freiwillig bei uns abgeliefert. Wir haben keine von uns aus gefunden. Die Leute sind damit förmlich gelaufen gekommen, als brenne es. Sie konnten sie nicht schnell genug loswerden, die meisten haben die Karten nicht einmal gelesen ...»
    Noch immer schwieg Quangel, aber in seinem Gesicht zuckte es. Es arbeitete gewaltig in ihm; der Blick des starren, scharfen Auges, jetzt flackerte er, irrte ab, senkte sich zur Erde und hob sich wieder wie gebannt zu den Fähnchen.
    «Und noch eines, Quangel: Haben Sie je einmal darüber nachgedacht, wieviel Angst und Not Sie mit diesen Karten über die Menschen gebracht haben? Die Leute sind ja vor Angst vergangen, manche sind verhaftet worden, und von einem weiß ich bestimmt, daß er

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