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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sind sich klar darüber, was Sie erwartet? Hohe Zuchthausstrafe, vielleicht der Tod?»
    «Jawohl, ich weiß, was ich getan habe. Und ich hoffe, auch Sie wissen, was Sie tun, Herr Kommissar?»
    «Was tue ich denn?»
    «Sie arbeiten für einen Mörder, und Sie liefern dem Mörder stets neue Beute. Sie tun's für Geld, vielleicht glauben Sie nicht mal an den Mann. Nein, Sie glauben bestimmt nicht an ihn. Bloß für Geld ...»
    Wieder standen sie sich schweigend gegenüber, und wieder senkte der Kommissar nach einer Weile überwunden den Blick.
    «Ich gehe dann», sagte er fast verlegen, «und hole einen Schreiber.»
    Er ging.

Escherichs Tod
    Um Mitternacht sitzt Kommissar Escherich noch oder vielmehr schon wieder in seinem Dienstzimmer. Er hockt da ganz in sich zusammengesunken; aber soviel Alkohol er auch getrunken hat, die schreckliche Szene, die er hat mitmachen müssen, hat er nicht vergessen.
    Diesmal hat sein hoher Vorgesetzter, der Obergruppenführer Prall, kein Kriegsverdienstkreuz für seinen so er-folgreichen, so tüchtigen, so lieben Kommissar gehabt, aber eine Einladung zu einer kleinen Siegesfeier hatte er doch. Da hatten sie zusammengesessen, sie hatten vielen scharfen Armagnac aus gar nicht kleinen Gläsern getrunken, sie hatten über den erwischten Klabautermann geprahlt, und unter allgemeinem Beifall hatte Kommissar Escherich das Protokoll mit dem Geständnis Quangels vorlesen müssen
    Mühsame, sorgfältige kriminalistische Arbeit vor die Schweine geworfen!
    Aber dann, als sie alle so richtig fett angesoffen waren,
    hatten sie sich einen Extraspaß gemacht. Mit Flaschen und Gläsern ausgerüstet, waren sie in Quangels Zelle hinabgestiegen, auch der Kommissar hatte mitkommen müssen.
    Sie wollten sich diesen seltsamen Vogel doch einmal ansehen, diesen Hirnverbrannten, der die Frechheit gehabt hatte, gegen den Führer zu kämpfen!
    Sie hatten Quangel gefunden unter seiner Decke auf der Pritsche, fest schlafend. Ein seltsames Gesicht, hatte Escherich gedacht, dem auch der Schlaf keine Entspannung schenkte, das immer gleich verschlossen und sorgenvoll aussah im Wachen und im Schlaf. Aber immerhin hatte der Mann fest geschlafen ...
    Natürlich hatten die ihn nicht schlafen lassen. Sie hatten ihn mit Püffen geweckt, sie hatten ihn von seiner Pritsche hochgejagt. Er hatte da vor diesen Leuten in ihren Uniformen in Schwarz und Silber in einem viel zu kurzen Hemd gestanden, einem Hemd, das nicht einmal ganz seine Blöße bedeckte, eine lächerliche Figur - wenn man den Kopf nicht ansah!
    Und dann waren sie auf den Gedanken gekommen, den alten Klabautermann zu taufen, sie hatten ihm eine Flasche Schnaps über den Kopf gegossen. Der Obergruppenführer Prall hatte eine kleine, niedlich besoffene Rede über diesen Klabautermann gehalten, über dies Schwein, das bald gemetzget würde, und am Schluß dieser Rede hatte er sein Schnapsglas auf Quangels Kopf zerschlagen.
    Das war ein Signal für die andern gewesen, alle hatten sie ihre Schnapsgläser auf dem Kopf des alten Mannes zerschlagen. Armagnac und Blut waren über sein Gesicht gelaufen. Aber während alles dies geschah, war es Escherich gewesen, als sähe zwischen den Bächen aus Blut und Schnaps Quangel ihn unverwandt an, und er meinte geradezu, ihn sprechen zu hören: Das ist also die gerechte Sache, für die du mordest! Das sind deine Henkersgesellen!
    So seid ihr. Du weißt sehr wohl, was du tust. Ich aber werde für die Verbrechen, die ich nicht begangen habe, sterben, und du wirst leben - so gerecht ist deine Sache!
    Dann hatten sie entdeckt, daß Escherichs Glas noch heil war. Sie hatten ihm befohlen, es auch auf dem Kopf Quangels zu zerschlagen. Ja, Prall hatte es ihm zweimal sehr scharf befehlen müssen - «Du weißt doch, Escherich, wie ich mit dir Schlitten fahre, wenn du nicht parierst?» -, und dann hatte also Escherich sein Glas auf Quangels Kopf zerschlagen. Viermal hatte er mit seiner zitternden Hand zuschlagen müssen, ehe das Glas zerbrach, und die ganze Zeit über hatte er den scharfen, höhnischen Blick Quangels auf sich gefühlt, der schweigend seine Entwür-digung miterlebte. Diese lächerliche Figur im zu kurzen Hemd, sie war stärker, würdevoller gewesen als all seine Quäler. Und bei jedem Schlag, den Kommissar Escherich verzweifelt
    und verängstigt geführt hatte, war es ihm gewesen, als schlage er gegen den Bestand seines eigenen Ichs, als rühre ihm eine Axt an die Wurzeln des Lebens-baums.
    Dann war Otto Quangel plötzlich

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