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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zusammengebrochen, und so hatten sie ihn da auf dem nackten Zellenboden liegengelassen, bewußtlos und blutend. Sie hatten auch der Wache verboten, sich um das Schwein zu kümmern, und waren wieder hinaufgegangen zum Weitersaufen, zum Weiterfeiern, als hätten sie wer weiß was für einen heldischen Sieg errungen.
    Und nun sitzt Kommissar Escherich wieder in seinem Dienstzimmer am Schreibtisch. Ihm gegenüber an der Wand hängt noch immer die Karte mit den roten Fähnchen. Sein Körper ist völlig in sich zusammengesunken, aber er denkt noch klar.
    Ja, die Karte ist erledigt. Morgen kann sie abgenommen werden. Und übermorgen werde ich eine neue Karte aufhängen und nach einem neuen Klabautermann jagen. Und wieder eine. Und noch eine. Was hat das alles für einen Sinn? Bin ich dazu auf dieser Welt? Es muß ja wohl so sein, aber wenn es so ist, verstehe ich nichts von dieser Welt, dann liegt in nichts Verstand. Dann ist es wirklich ganz gleich, was ich tue ...
    Sein Blut wird von mir gefordert werden ... Wie er das sagte! Und sein Blut von mir! Nein, auch Enno Kluges Blut habe ich auf mir, dieser erbärmliche Schwächling, den ich geopfert habe, um diesen Mann einer besoffenen Hor-de auszuliefern. Der wird nicht wimmern wie der kleine Kerl auf dem Bootssteg, der wird anständig sterben ...
    Und ich? Wie steht es mit mir? Ein neuer Fall, und der tüchtige Escherich hat nicht soviel Erfolg, wie der Herr Obergruppenführer Prall erwartet, und ich wandere noch einmal in den Keller. Schließlich kommt der Tag, an dem ich hinuntergeschickt werde, um nicht wieder heraufge-holt zu werden. Lebe ich dazu, um dies zu erwarten?
    Nein, der Quangel hat recht, wenn er den Hitler einen Mörder nennt und mich den Lieferanten eines Mörders.
    Es ist mir immer gleich gewesen, wer am Ruder saß, warum dieser Krieg geführt wurde, wenn ich nur meinem gewohnten Geschäft nachgehen konnte, dem Menschenfang. Dann, wenn ich sie erst hatte, war mir gleichgültig, was aus ihnen wurde ...
    Aber jetzt ist es mir nicht gleichgültig. Ich bin dessen so überdrüssig, es ekelt mich an. Wie er dastand und mich ansah. Blut und Schnaps liefen über sein Gesicht, er aber sah mich an! Ach, wäre es noch möglich, ich würde zehn Enno Kluges opfern, diesen einen Quangel zu retten, ich würde dieses ganze Haus opfern, ihn frei zu machen! Wäre es noch möglich, ich würde fortgehen von hier, ich würde etwas beginnen wie Otto Quangel, etwas besser Ausgedachtes, aber ich möchte kämpfen.
    Doch es ist unmöglich, sie lassen mich nicht, sie nennen so etwas Fahnenflucht. Sie würden mich holen und wieder in den Bunker werfen. Und mein Fleisch schreit, wenn es gequält wird, ja, ich bin feige. Ich bin feige wie Enno Kluge, ich bin nicht mutig wie Otto Quangel. Wenn mich der Obergruppenführer Prall anschreit, so zittere ich und tue zitternd, was er mir befiehlt. Ich zerschlage mein Schnapsglas auf dem Kopf des einzigen anständigen Mannes, aber jeder Schlag ist eine Handvoll Erde auf meinen Sarg.
    Langsam stand Kommissar Escherich auf. Ein hilfloses Lächeln lag auf seinem Gesicht. Er ging zur Wand, er lauschte. Es war jetzt, in der Stunde nach Mitternacht, still in dem großen Hause in der PrinzAlbrecht-Straße.
    Nur der Schritt der Wache auf dem Korridor, auf und ab, auf und ab .
    Auch du weißt nicht, warum du so auf und ab rennst, dachte Escherich. Eines Tages wirst du begreifen, daß du dein Leben vertan hast .
    Er griff nach der Karte, er riß sie von der Wand. Viele Fähnchen fielen, mit ihren Stecknadeln klappernd, zu Boden. Escherich zerknüllte die Karte und warf sie dazu.
    «Aus!» sagte er. «Zu Ende! Zu Ende der Fall Klabautermann!»
    Er ging langsam zurück zu seinem Schreibtisch, zog eine Lade auf und nickte.
    «Hier stehe ich, wahrscheinlich der einzige Mann, den Otto Quangel durch seine Karten bekehrt hat. Aber ich bin dir nichts nutze, Otto Quangel, ich kann dein Werk nicht fortsetzen. Ich bin zu feige dazu. Dein einziger An-hänger, Otto Quangel!»
    Er zog rasch die Pistole hervor und schoß.
    Dieses Mal hatte er nicht gezittert.
    Der herbeistürzende Posten fand nur einen fast kopflo-sen Leichnam hinter dem Schreibtisch.
    Der Obergruppenführer Prall tobte. «Fahnenflucht! Alle Zivilisten sind Schweine! Alles, was nicht Uniform trägt, gehört in den Bunker, hinter Stacheldraht! Aber warte, den Nachfolger von diesem Schwein, dem Escherich, den zwieble ich von Anfang an so, daß er keinen einzigen Gedanken im Kopf hat, nur Angst! Ich bin

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