Jeder stirbt für sich allein
erwiesen.
Dies war die stolze Stunde des Kommissars Escherich.
Er fand, es hatte sich gelohnt, geduldig zu sein und vieles zu ertragen. Er hatte ihn, seinen Klabautermann, wie er ihn zuerst im Scherz genannt hatte, aber er war ein richtiger Klabautermann geworden: er hatte Escherichs Lebensschiff fast zum Scheitern gebracht. Aber nun war er ge-faßt, die Jagd war zu Ende, das Spiel ausgespielt.
Kommissar Escherich sah wie aufwachend hoch. Er sagte befehlend: «Die Frau wird mit einem Krankenwagen fortgebracht. Zwei Mann Begleitung. Sie stehen mir für sie, Kemmel, kein Verhören, überhaupt keinerlei Sprech-erlaubnis. Aber sofort einen Arzt. Das Fieber muß in drei Tagen weg sein, sagen Sie ihm das. Kemmel!»
«Befehl, Herr Kommissar!»
«Die andern bringen die Wohnung wieder in Ordnung, tadellos. In welchem Buch hat diese Karte gelegen? Radiobastelbuch? Schön! Wrede, legen Sie die Karte genauso hinein, wie sie lag. In einer Stunde muß hier alles in Ordnung sein, ich komme dann noch einmal mit dem Täter hierher. Keiner von Ihnen bleibt hier. Kein Posten, nichts!
Verstanden?»
«Befehl, Herr Kommissar!»
«Also gehen wir, Herr Obergruppenführer?»
«Wollen Sie der Frau nicht noch die aufgefundene Karte vorhalten, Escherich?»
«Wozu? Jetzt im Fieber reagiert sie doch nicht richtig, und mir kommt es nur auf den Mann an. Wrede, haben Sie irgendwo Schlüssel für die Entreetür gesehen?»
«In der Handtasche der Frau.»
«Geben Sie her - danke. Also gehen wir, Herr Obergruppenführer!»
Drunten, an seinem Fenster, sah der Kammergerichtsrat Fromm den Fortfahrenden nach. Er wiegte den Kopf hin und her. Später sah er, wie die Bahre mit Frau Quangel in einen Krankenwagen gehoben wurde; aber an dem Aussehen der Begleiter erkannte er, daß die Fahrt in kein übliches Krankenhaus ging.
«Einer nach dem andern», sagte der Kammergerichtsrat a. D. Fromm leise.
«Einer nach dem andern. Das Haus wird leer. Rosenthals, Persickes, Borkhausen, Quangel - ich wohne fast allein hier. Eine Hälfte des Volkes sperrt die andere ein, das kann nicht mehr lange dauern. Nun, ich jedenfalls werde hier wohnen bleiben, mich wird man nicht einsperren ...»
Er lächelt und nickt.
«Je schlimmer, je besser. Um so eher nimmt dies ein Ende!»
Das Gespräch mit Otto Quangel
Es war dem Kommissar Escherich nicht ganz leicht geworden, Herrn Obergruppenführer Prall zu bestimmen, daß er ihn bei dem ersten Verhör mit Otto Quangel allein ließ. Aber schließlich war es ihm doch gelungen.
Als er mit dem Werkmeister die Treppen zur Wohnung hinaufstieg, war es schon dunkel geworden. Licht brannte auf den Treppen, Licht schaltete Quangel ein, als sie in die Stube getreten waren. Er wandte sich zum Schlafzimmer.
«Meine Frau ist krank», murmelte er.
«Ihre Frau ist nicht mehr hier», sagte der Kommissar.
«Sie ist fortgebracht. Setzen Sie sich hierher zu mir ...»
«Meine Frau hat viel Fieber - Grippe ...» murmelte Quangel.
Es war ihm anzusehen, daß die Nachricht von der Abwesenheit seiner Frau ihn stark erschüttert hatte. Die starre Gleichgültigkeit, die er bisher zur Schau getragen hatte, war gewichen.
«Ein Arzt sorgt für Ihre Frau», sagte der Kommissar beruhigend. «Ich denke, in zwei, drei Tagen werden wir das Fieber fort haben. Ich habe für den Abtransport einen Krankenwagen beordert.»
Zum erstenmal sah Quangel den Mann da vor sich genauer an. Lange ruhte sein starres Vogelauge auf dem Kommissar. Dann nickte Quangel. «Krankenwagen», sagte er. «Doktor - das ist gut. Ich danke Ihnen. Das ist richtig. Sie sind kein schlechter Mann.»
Der Kommissar nützte seine Gelegenheit. «Wir sind nicht so schlimm, Herr Quangel», sagte er, «wie wir oft gemacht werden. Wir tun alles, um den Verhafteten die Lage zu erleichtern. Wir wollen ja nur feststellen, ob eine Schuld vorliegt. Das ist unser Geschäft, wie es Ihr Geschäft ist, Särge zu tischlern ...»
«Ja», sagte Quangel mit harter Stimme. «Ja, Sargtischler und Sarglieferant, so ist das!»
«Sie meinen», antwortete Escherich leicht spöttisch,
«ich liefere den Inhalt der Särge? Sehen Sie Ihren Fall denn so schwarz an?»
«Ich habe keinen Fall!»
«Oh, doch schon, ein bißchen. Sehen Sie zum Beispiel
einmal diese Feder an, Quangel. Ja, es ist Ihre Feder. Die Tinte daran ist noch ganz frisch. Was haben Sie heute oder gestern mit dieser Feder geschrieben?»
«Ich mußte was unterschreiben.»
«Und was mußten Sie denn unterschreiben, Herr Quangel?»
«Ich
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