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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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stand mit Fabian so vor dem Koffer, daß Hergesells den Inhalt nicht sehen konnten. Die beiden Kriminalbeamten tuschelten miteinander. Dann hob Fabian schwer den Inhalt ans Licht. Eine kleine Maschine, blinkende Schrauben, Federn, Schwärze glänzte .
    «Eine Druckmaschine!» sagte Kommissar Laub. «Eine hübsche kleine Druckmaschine - für kommunistische Hetzblätter. Das erledigt Ihren Fall, Hergesell. Für heute und immer!»
    «Ich habe nicht gewußt, was in dem Koffer war», widersprach Karl Hergesell, aber er war so verschreckt, daß dieser Widerspruch nur schwach klang.
    «Als wenn das jetzt nicht ganz gleich wäre! Sie waren ja schon verpflichtet, Ihr Treffen mit diesem Grigoleit zu melden und den Koffer abzuliefern! Wir machen hier jetzt Schluß, Fabian. Packen Sie das Ding wieder ein. Ich weiß genug und übergenug. Auch die Frau wird gefesselt.»
    «Lebe wohl, Karli!» rief Trudel Hergesell mit starker Stimme. «Lebe wohl, mein Liebster. Du hast mich sehr glücklich gemacht ...»
    «Machen Sie, daß die Frau die Fresse hält!» rief der Kommissar. «Nanu, Hergesell, was soll das?»
    Karl Hergesell hatte sich von seinem Wachtmann losgerissen, als an der andern Stubenwand eine rohe Faust Trudels Mund verschloß. Obwohl er eine Handfessel trug, war es ihm gelungen, den Quäler Trudels zu Boden zu reißen. Sie wälzten sich an der Erde.
    Der Kommissar hatte Fabian nur einen Wink gegeben.
    Der stand über den Kämpfenden, wartete, und nun schlug
    Fabian drei-, viermal Karl Hergesell auf den Schädel.
    Hergesell ächzte, seine Glieder zuckten, dann lag, er still zu Trudels Füßen. Sie sah bewegungslos auf ihn herab, ihr Mund blutete.
    Während der langen Fahrt in die Stadt hoffte sie vergebens, er werde noch einmal aufwachen, sie könnte ihm noch einmal in die Augen sehen. Nein, nichts.
    Nichts hatten sie getan. Und sie waren doch verloren ...

Otto Quangels schwerste Last
    Während der neunzehn Tage, die Otto Quangel im Bunker der Gestapo zubringen mußte, ehe er dem Untersuchungsrichter beim Volksgerichtshof ausgeliefert wurde, waren für ihn nicht die Verhöre durch den Kommissar Laub das am schwersten zu Ertragende, trotzdem dieser Mann alle seine nicht geringen Kräfte aufwandte, um den Widerstand Quangels zu brechen, wie er es nannte. Das hieß nichts anderes, als daß er mit all seinen schlimmen Kräften bemüht war, aus dem Häftling ein schreiendes, angstvolles Garnichts zu machen.
    Es war auch nicht die ständig wachsende, sehr quälende Sorge um seine Frau Anna, die Otto Quangel so zermürbte. Er sah seine Frau nicht, er hörte nie direkt etwas von ihr. Aber als Laub bei den Vernehmungen den Namen Trudel Baumanns, nein, jetzt Trudel Hergesells nannte, wußte er, seine Frau hatte sich verängstigen lassen, sie war überlistet worden, ein Name war ihr entschlüpft, den sie nie hätte zu nennen brauchen.
    Später, als immer klarer wurde, auch Trudel Baumann und ihr Mann waren verhaftet worden, sie hatten ausgesagt, sie waren mit in diesen Strudel gezogen, da haderte er in Gedanken viele Stunden mit seiner Frau. Es war immer sein Stolz gewesen in diesem seinem Leben, ein Mensch ganz für sich allein zu sein, die andern nicht zu brauchen, ihnen nie lästig zu fallen, und nun waren durch sein Verschulden (denn er fühlte sich voll verantwortlich für Anna) zwei junge Menschen in seine Sachen hereingezogen worden.
    Aber der Hader hielt nicht lange an, die Trauer und die Sorge um seine Lebensgefährtin überwogen. Allein mit sich preßte er oft die Nägel in die Handteller, er schloß die Augen, er sammelte alle seine Stärke in sich - und dann dachte er an Anna, er suchte sie sich vorzustellen in ihrer Zelle, und er schickte Kraftströme aus, um ihr neuen Mut zu geben, damit sie nur nicht ihre Würde vergäße, sich nicht demütige vor diesem Elenden, der kaum noch etwas Menschliches hatte.
    Diese Sorge um Anna war schwer zu ertragen, aber sie war bei weitem das Schwerste nicht.
    Das Schwerste waren auch nicht die fast alltäglichen Einbrüche in die Zelle von betrunkenen SS-Männern und ihren Führern, die ihre Wut und Quälereien an den Wehrlosen ausließen. Fast alltäglich rissen sie die Zellentür auf, stürzten herein, wild vom Alkohol, nur von der Gier besessen, Blut zu sehen, Menschen verzucken, vergehen zu sehen, sich an der Schwäche des Fleisches zu erbauen.
    Auch dies war sehr schwer zu ertragen, aber das Schwerste war es noch nicht.
    Sondern das Schwerste war, daß er nicht allein in seiner

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