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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Meinung hatte, nicht nur alle Lebensfreude, sondern auch das Leben selbst zu nehmen.)
    Aber wie die Zeit dahinging und keinerlei Arbeitsmöglichkeit auftauchte, mußte Max Harteisen schließlich daran glauben. Freunde berichteten ihm, daß der Minister auf einer Filmkonferenz erklärt hatte, der Führer wolle diesen Schauspieler nie wieder im Rock eines Offiziers auf der Leinwand sehen. Nicht viel später hieß es schon, der Führer wolle diesen Schauspieler überhaupt nicht mehr sehen, und dann wurde ganz offiziell erklärt, der Schauspieler Harteisen sei «unerwünscht». Aus, zu Ende, mein Lieber, mit sechsunddreißig Jahren auf die Schwarze Liste gesetzt
    - für ein ganzes Tausendjähriges Reich!
    Jetzt hatte der Schauspieler Harteisen wirklich Butter auf dem Kopf! Aber er ließ nicht nach, er bohrte und fragte, er wollte um jeden Preis erfahren, ob diese vernichten-den Urteile wirklich vom Führer ausgingen, oder ob sie sich der kleine Mann nur ausgedacht hatte, um einen Feind zu erledigen. Und an diesem Montag war Harteisen nun völlig siegesgewiß zu seinem Anwalt Toll gestürzt und hatte gerufen: «Ich hab's! Ich hab's, Erwin! Der Schurke hat gelogen. Der Führer hat den Film, in dem ich den preußischen Offizier spiele, überhaupt nicht gesehen, und er hat nie ein Wort gegen mich geäußert.»
    Und er berichtete eifrig, daß diese Nachricht ganz gewiß sei, denn sie stamme von Göring selbst. Eine Freundin seiner Frau habe eine Tante, und deren Kusine sei zu Gö-
    rings nach Karinhall eingeladen gewesen. Da habe sie den Fall zur Sprache gebracht, und Göring habe sich wie berichtet geäußert.
    Der Anwalt sah den Aufgeregten ein wenig spöttisch an.
    «Nun, Max, und was ist dadurch geändert?»
    Der Schauspieler murmelte ganz verdutzt: «Aber dieser Goebbels hat doch gelogen, Erwin!»
    «Und? Hast du je geglaubt, alles, was Hinkebeinchen sagt, sei wahr?»
    «Nein, das natürlich nicht. Aber wenn man den Fall vor den Führer bringt ... Er hat doch den Namen des Führers mißbraucht!»
    «Ja, und weil er das getan hat, wird der Führer einen alten Parteigenossen und Propami rausschmeißen, bloß weil er dem Harteisen Kummer gemacht hat!»
    Der Schauspieler sah den überlegenen, spöttischen Anwalt hilfeflehend an. «Aber es muß doch was geschehen in meiner Sache, Erwin!» sagte er. «Ich will doch arbeiten!
    Und der Goebbels hindert mich zu Unrecht daran!»
    «Ja», sagte der Anwalt. «Ja!» Und schwieg wieder. Als aber Harteisen ihn so erwartungsvoll ansah, fuhr er fort:
    «Du bist ein Kind, Max, ein richtiges, groß gewordenes Kind!»
    Der Schauspieler, der stets viel von seiner Weitläufig-keit gehalten hatte, warf unmutig den Kopf zurück.
    «Wir sind ja hier unter uns, Max», fuhr der Anwalt fort,
    «diese Tür ist gut gepolstert, wir können also offen miteinander sprechen. Du wußtest doch auch, wenigstens ein ganz klein bißchen, wieviel schreiendes, blutiges, herzzer-reißendes Unrecht heute in Deutschland geschieht - und kein Hahn kräht danach. Im Gegenteil, sie rühmen sich noch laut ihrer Schande. Aber weil der Schauspieler Harteisen ein ganz kleines Wehwehchen hat, entdeckt er plötzlich, daß Unrecht in der Welt geschieht, und schreit nach Gerechtigkeit, Max!»
    Harteisen sagte niedergedrückt: «Aber was soll ich denn tun, Erwin? Es muß doch etwas geschehen!»
    «Was du tun sollst? Nun, das ist doch ganz klar! Du ziehst dich mit deiner Frau an einen hübschen Ort auf dem Lande zurück und hältst dich fein stille. Vor allem hörst du mit diesem unsinnigen Gerede über Minister auf und unterläßt die Verbreitung des Göring-Interviews. Sonst kann es geschehen, daß dir der Minister noch etwas ganz anderes antut.»
    «Aber wie lange soll ich denn da tatenlos auf dem Lande sitzen?»
    «Die Launen eines Ministers kommen und gehen. Sie gehen auch, Max, sei sicher. Eines Tages wirst du wieder in Glanz und floribus sein.»
    Der Schauspieler schauderte. «Nicht das!» bat er. «Nur nicht das!» Er stand auf. «Und du meinst wirklich nicht, daß du in meiner Sache etwas tun kannst?»
    «Nicht das geringste!» meinte der Anwalt lächelnd. «Es sei denn, du hättest den Wunsch, als Märtyrer für deinen Minister ins KZ zu gehen.»
    Drei Minuten darauf stand der Schauspieler Max Harteisen im Treppenhaus des Bürogebäudes und hielt verwirrt eine Karte in der Hand: «Mutter! Der Führer hat mir meinen Sohn ermordet .»
    Um des Himmels willen! dachte er. Welcher Mensch
    schreibt denn so was? Er

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