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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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kennenlernte, den er so oft schon im Film gesehen. Und aus dem Stegreif nannte er sechs Filme; in keinem davon hatte der Schauspieler je mitgespielt. Max Harteisen bewunderte das Gedächtnis des Männleins, dann gingen sie zum geschäftlichen Teil des Besuches über.
    Das Füchslein las die Karte, und seinem Gesicht war nicht abzulesen, was der Mann dabei empfand. Es war nur schlau. Dann hörte er den Bericht von dem Auffinden der Karte, der Ablieferung hier auf dem Büro.
    «Sehr gut. Sehr korrekt!» lobte der Leiter. «Und wann war das etwa?»
    Einen Augenblick stutzte der Anwalt, warf einen raschen Blick auf den Freund. Besser nicht lügen, dachte er.
    Sie haben ihn mit der Karte in der Hand sehr erregt hereinkommen sehen.
    «Vor einer guten halben Stunde», meinte der Anwalt. Das Männlein zog die Augenbrauen hoch. «So lange?» fragte er mit leisem Erstaunen.
    «Wir hatten noch anderes zu besprechen», erklärte der Anwalt. «Wir legten der Sache keine große Wichtigkeit bei. Oder ist sie wichtig?»
    «Wichtig ist alles. Wichtig wäre es gewesen, diesen Burschen, der die Karte niederlegte, zu fangen. Aber jetzt nach einer halben Stunde ist es natürlich dafür viel zu spät.»
    Jedes seiner Worte klang von einem leichten Vorwurf gegen dieses «Zu spät» wider.
    «Ich bedaure diese Verspätung», sagte der Schauspieler Harteisen tönend. «Sie entstand durch meine Schuld. Ich nahm meine Angelegenheit wichtiger als dieses -Geschmier!»
    «Ich hätte es besser wissen müssen», sagte der Anwalt.
    Das Füchslein lächelte beschwichtigend. «Nun, meine Herren, was zu spät ist, bleibt zu spät. Es freut mich jedenfalls, daß ich auf diese Weise den Vorzug genossen ha-be, Herrn Harteisen persönlich kennenzulernen. Heil Hitler!»
    Sehr stark, aufspringend: «Heil Hitler!»
    Und als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sahen sich die beiden Freunde an.
    «Gott sei Dank, wir sind diese unselige Karte los!»
    «Und er hat keinen Verdacht auf uns!»
    «Nicht wegen der Karte! Daß wir aber zwischen Ablieferung und Nichtablieferung geschwankt haben, das hat er sehr wohl begriffen.»
    «Glaubst du, daß noch etwas nach der Sache kommt?»
    «Nein, eigentlich nicht. Im schlimmsten Falle eine belanglose Vernehmung, wo und wann und wie du die Karte gefunden hast. Und da gibt es ja nichts zu verheimlichen.»
    «Weißt du, Erwin, im Grunde bin ich jetzt ganz froh, aus dieser Stadt eine Weile herauszukommen.»
    «Siehst du!»
    «Man wird schlecht in dieser Stadt!»
    «Man wird es! Man ist es schon! Und das kräftig!»
    Unterdes war das Füchslein auf seine Ortsgruppe
    gefahren. Ein Braunhemd hielt jetzt die Karte in der Hand.
    «Das geht nur die Gestapo an», sagte das Braunhemd.
    «Du fährst am besten selbst damit hin, Heinz. Warte, ich gebe dir ein paar Zeilen mit. Und die beiden Herren?»
    «Völlig außer Frage! Natürlich, politisch zuverlässig sind sie beide nicht. Ich sage dir, sie haben Blut und Wasser geschwitzt, als sie mit der Karte anfangen mußten.»
    «Der Harteisen soll bei Minister Goebbels in Ungnade sein», meinte das Braunhemd nachdenklich.
    «Trotzdem!» sagte das Füchslein. «Er würde so was nie wagen. Hat viel zuviel Angst. Ich habe ihm ins Gesicht sechs Filme genannt, in denen er nie aufgetreten ist, und habe seine Meisterleistung bewundert. Er hat eine Verbeugung nach der andern gemacht und gestrahlt vor Dankbarkeit. Dabei habe ich direkt gerochen, wie er vor Angst geschwitzt hat!»
    «Alle haben sie Angst!» entschied das Braunhemd verächtlich. «Warum eigentlich? Es ist ihnen doch so leicht gemacht, sie brauchen nur zu tun, was wir ihnen sagen.»
    «Das ist, weil die Leute das Denken nicht lassen können. Sie glauben immer, mit Denken kommen sie weiter.»
    «Sie sollen bloß gehorchen. Das Denken besorgt der Führer.»
    Das Braunhemd tippte auf die Karte: «Und der hier? Was meinst du zu dem, Heinz?»
    «Was soll ich dazu sagen? Wahrscheinlich hat er wirklich den Sohn verloren .»
    «I wo! Die so was schreiben und tun, das sind immer bloß Hetzer. Die wollen was für sich erreichen. Söhne und ganz Deutschland, das ist ihnen alles ganz egal. Irgend so ein alter Sozi oder Kommunist ...»
    «Glaube ich nicht. Glaube ich nie und nimmer im Leben. Die können doch von ihren Phrasen nicht lassen, Faschismus und Reaktion und Solidarität und Prolet - aber von all diesen Schlagworten steht nicht eins auf der Karte.
    I wo, was ein Sozi ist oder ein Kommunist, das rieche ich auf zehn Kilometer gegen den

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