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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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muß wahnsinnig sein! Er schreibt sich ja um seinen Kopf! Unwillkürlich drehte er die Karte um. Aber dort stand kein Absender oder Empfänger, sondern: «Gebt diese Karte weiter, daß viele sie lesen! -Stiftet nichts für das Winterhilfswerk! - Arbeitet langsam, noch langsamer! Tut Sand in die Maschinen! Jeder Handschlag weniger getan hilft diesen Krieg früher beenden!»
    Der Schauspieler sah hoch. Lichterglänzend fuhr der Fahrstuhl an ihm vorbei. Er hatte das Gefühl, daß viele Augen auf ihn sahen.
    Rasch steckte er die Karte in die Tasche, und rascher noch riß er sie wieder hervor. Er wollte sie schon auf die Fensterbank zurücklegen - und Bedenken überkamen ihn.
    Vielleicht hatten ihn die vom Fahrstuhl aus hier stehen sehen, die Karte in der Hand - und sein Gesicht kannten viele. Die Karte wurde gefunden, es fanden sich welche, die beeideten, er habe sie hingelegt. Er hatte sie ja wirklich hingelegt, wieder hingelegt, hieß das. Aber wer würde ihm glauben, grade jetzt, wo er diesen Streit mit dem Minister hatte? Er hatte so viel Butter auf dem Kopfe, und nun dies noch!
    Schweiß trat auf seine Stirn, plötzlich begriff er, daß nicht nur der Kartenschreiber, daß auch er in naher Lebensgefahr war, er vielleicht am meisten. Seine Hand zuckte; er wollte die Karte hinlegen, er wollte sie doch lieber fortnehmen, er wollte sie zerreißen, hier an Ort und Stelle ... Aber vielleicht stand einer oben auf der Treppe und beobachtete ihn? Er hatte in den letzten Tagen schon ein paarmal das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden, er hatte es für Nervosität gehalten, wegen dieser Gehässigkeit von Minister Goebbels ...
    Und vielleicht war das Ganze eine Falle dieses Mannes, für ihn zurechtgebaut, daß er sich ganz gründlich fing?
    Um aller Welt zu beweisen, wie recht der Minister mit der Beurteilung des Schauspielers Harteisen hatte? O Gott, er war ja schon wahnsinnig, er sah Gespenster! Das tat doch ein Minister nicht! Oder tat er grade das?
    Aber er konnte hier nicht ewig stehenbleiben. Er mußte sich entschließen; er hatte jetzt keine Zeit, an Goebbels zu denken, er mußte nur an sich denken!
    Er stürmt die halbe Treppe wieder hinauf, niemand steht dort und beobachtet ihn. Aber er klingelt schon beim Rechtsanwalt Toll. Er stürmt an der Vorzimmerdame vorbei, er knallt die Karte auf den Tisch des Anwalts, er ruft:
    «Da! Was ich hier eben im Treppenhaus gefunden habe!»
    Der Anwalt wirft nur einen kurzen Blick auf die Karte.
    Dann steht er auf und schließt sorgfältig die Doppeltür seines Büros, die der Aufgeregte offengelassen hat. Er kehrt zu seinem Schreibtischplatz zurück. Er nimmt die Karte wieder auf und liest sie lange und sorgfältig, während Harteisen auf und ab läuft und ungeduldig Blicke auf ihn wirft.
    Jetzt läßt Toll die Karte sinken und fragt: «Wo, sagtest du, hast du die Karte gefunden?»
    «Hier auf der Treppe, eine halbe Treppe tiefer.»
    «Auf der Treppe! Auf den Stufen also?»
    «Sei nicht so wortklauberisch, Erwin! Nein, nicht auf den Stufen, sondern auf der Fensterbank!»
    «Und darf ich dich fragen, warum du mir dieses reizende Angebinde auf mein Büro schleppen mußtest?»
    Die Stimme des Anwalts klingt schärfer, der Schauspieler sagt bittend: «Aber was sollte ich denn tun? Die Karte lag da, ich habe sie ganz gedankenlos aufgenommen.»
    «Und warum hast du sie nicht zurückgelegt? Das wäre doch das Selbstverständlichste gewesen!»
    «Ein Fahrstuhl fuhr an mir vorbei, während ich las. Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Mein Gesicht ist so
    bekannt!»
    «Noch besser!» sagte der Anwalt bitter. «Und dann bist du vermutlich mit dieser Karte offen in der Hand zu mir gelaufen?» Der Schauspieler nickte düster. «Nein, mein Freund», sagte Toll entschlossen und hielt ihm die Karte wieder hin, «bitte, nimm sie wieder. Ich will damit nichts zu schaffen haben. Wohlgemerkt, du kannst dich nicht auf mich berufen. Ich habe diese Karte nie gesehen. Nimm sie doch endlich wieder!»
    Harteisen starrte den Freund mit blassem Gesicht an.
    «Ich denke», sagte er dann, «du bist nicht nur mein Freund, du bist auch mein Anwalt, du nimmst meine Interessen wahr!»
    «Nicht dies, oder sagen wir besser: nicht mehr. Du bist ein Unglückshuhn, du hast ein unglaubliches Talent, in die schlimmsten Geschichten zu tappen. Du wirst auch andere ins Unglück reißen. Also nimm endlich deine Karte zurück!»
    Er bot sie ihm wieder an.
    Aber Harteisen stand noch immer da, mit weißem Gesicht, die

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