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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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in der gleichen Absicht aufsuchen werden - dieses Haus wird von ihnen nicht vergessen werden.
    Anna Quangel möchte gerne einmal rasch die Hand des Mannes streicheln, aber sie wagt es nicht. So streift sie nur wie zufällig dagegen und sagt erschrocken: «Verzeihung, Otto!»
    Er sieht sie verwundert von der Seite an, aber er schweigt.
    Sie gehen weiter.

Zweiter Teil Die Gestapo

Der Weg der Karten
    Der Schauspieler Max Harteisen hatte, wie sein Freund und Anwalt Toll sich auszudrücken beliebte, aus vornazistischen Zeiten noch reichlich viel Butter auf dem Kopf. Er hatte in Filmen mitgespielt, die von jüdischen Regisseuren geleitet waren, er hatte in pazifistischen Filmen mitgespielt, und eine seiner Hauptrollen auf dem Theater war jener verdammte Schwächling gewesen, der Prinz von Homburg, den jeder wahre Nationalsozialist nur anspucken kann. Max Harteisen hatte also allen Anlaß, sehr vorsichtig zu sein; eine Zeitlang war es ja sehr zweifelhaft, ob er unter den braunen Herren überhaupt noch spielen durfte.
    Aber das hatte dann ja schließlich doch geklappt. Natürlich mußte der gute Junge eine gewisse Zurückhaltung üben und erst einmal echt braun gefärbten Schauspielern den Vortritt lassen, wenn sie auch lange nicht so viel konnten wie er. Aber grade an dieser Zurückhaltung hatte er es fehlen lassen; der ahnungslose Knabe hatte so gespielt, daß dies sogar dem Minister Goebbels aufgefallen war. Ja, der Minister hatte sogar einen Narren an dem Harteisen gefressen. Und was es mit solchen Vorlieben des Ministers auf sich hatte, das wußte ja jedes Kind, denn es gab keinen launischeren, unberechenbareren Menschen als den Doktor Joseph Goebbels.
    Zuerst hatte es wie eitel Freude und Glanz ausgesehen, denn wenn der Minister jemanden zu verehren geruhte, so machte er keinen Unterschied, ob dies eine Frau oder ein Mann war. Wie bei einer Geliebten hatte Doktor Goebbels jeden Morgen bei dem Schauspieler Harteisen angerufen, er hatte sich nach seinem Schlaf erkundigt, er hatte ihm wie einer Diva Blumen und Konfekt gesandt, und es durfte kein Tag vergehen, ohne daß der Minister wenigstens kurze Zeit mit Harteisen zusammen war. Ja, er nahm den Schauspieler sogar nach Nürnberg auf den Par-teitag mit, er erklärte ihm den Nationalsozialismus «richtig», und der Harteisen verstand auch alles, was er verstehen sollte.
    Er verstand nur nicht, daß zum richtigen Nationalsozialismus auch gehört, daß ein einfacher Volksgenosse einem Minister nicht widerspricht. Denn ein Minister ist schon einfach durch die Tatsache, daß er Minister ist, zehnmal klüger als jeder andere. Bei irgendeiner ganz belanglosen Filmfrage widersprach Harteisen seinem Minister und behauptete gradezu, es sei Quatsch, was der Herr Goebbels da geredet habe. Es soll dahingestellt bleiben, ob die wirklich belanglose und dazu auch noch rein theoretische Filmfrage den Schauspieler in so zornigen Eifer gerissen hatte, oder ob ihm die verstiegene Anhimmelei des Ministers einfach über war,
    und ob er darum einen Bruch wünschte. Jedenfalls blieb er, trotz mancher Ermahnung, bei seinem Satz, Quatsch sei es und Quatsch bleibe es, ob Minister oder nicht, ganz egal!
    Oh, wie änderte sich da die Welt für Max Harteisen!
    Keine morgendlichen Erkundigungen mehr nach der Güte seines Schlafes, keine Pralinen, keine Blumen, keine Besuche bei Herrn Doktor Goebbels mehr, auch nichts mehr von Belehrungen über den richtigen Nationalsozialismus!
    Ach, das wäre alles noch zu ertragen gewesen, ja, vielleicht war es sogar erwünscht, aber plötzlich gab es für den Harteisen auch keine Engagements mehr, schon fest abgeschlossene Filmverträge zerplatzten, Gastspiele zerrannen in nichts, es gab nichts mehr zu tun für den Schauspieler Harteisen.
    Da Harteisen ein Mann war, der seinen Beruf nicht nur des Geldverdienens halber schätzte, sondern da er ein wirklicher Schauspieler war, dessen Leben seine Höhepunkte auf der Bühne, vor der Kamera finden mußte, so war er über diese erzwungene Untätigkeit ganz verzweifelt. Er konnte und wollte es nicht glauben, daß der Minister, der anderthalb Jahre lang sein bester Freund gewesen war, nun zu einem so bedenkenlosen, ja gemeinen Feind
    geworden war, daß er die Macht seiner Stellung dazu benutzte, wegen eines Widerspruches einem andern alle Lebensfreude zu nehmen. (Er hatte im Jahre 1940 noch immer nicht begriffen, der gute Harteisen, daß jeder Nazi zu jeder Zeit bereit war, jedem Deutschen, der eine von seiner abweichende

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