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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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nichts getan!
    Im gleichen Augenblick fällt ihm der Einbruch bei der
    Rosenthal ein. Es ist kein Zweifel, der Borkhausen ist hochgegangen und hat ihn verpfiffen. Und die Angst wird stärker in ihm, er hat doch geschworen, er will nichts aussagen, und wenn er nun doch aussagt, wird ihn dieser Kerl von der SS wieder vornehmen und vertrimmen, und diesmal noch viel schlimmer! Er darf nichts aussagen, aber wenn er nichts aussagt, nimmt ihn sich dieser Bulle vor, und dann schwatzt er doch. Hier Verderben, dort Verderben ... Oh, diese Angst!
    Als er auf den Flur tritt, sehen ihn vier Gesichter erwartungsvoll an - aber er sieht sie gar nicht, er sieht nur die Uniform des Schupos und weiß, daß er mit seiner Angst recht gehabt hat, daß er nun wirklich zwischen Verderben und Verderben steht.
    Und diese Angst verleiht Enno Kluge Eigenschaften, die er sonst nicht besitzt, nämlich Entschlußkraft, Stärke und Schnelligkeit. Er wirft den überraschten Assistenten, der dies nie von dem kleinen Schwächling erwartet hätte, gegen den Schupo, läuft an Arzt und Hilfe vorbei, reißt die Flurtür auf und ist schon auf der Treppe ...
    Aber hinter ihm trillert die Pfeife des Schupos, und diesem langbeinigen jungen Mann ist er im Tempo nicht gewachsen. Auf der untersten Treppe wird er eingeholt, der Schupo versetzt ihm einen Schlag, der ihn gleich auf die Stufen niederschickt, und als er vor drehenden Sonnen und Feuerkreisen wieder sehen kann, sagt der Schupo freundlich lächelnd: «Na, streck mal deine süße Pfote her!
    Will dir lieber ein Armband schenken. Das nächste Mal machen wir so 'nen Spaziergang gemeinsam, was?»
    Und schon hat die Stahlfessel um sein Handgelenk geklirrt, und es geht wieder treppauf, zwischen dem schweigsamen, finster blickenden Bullen und dem vergnügt lächelnden Schupo, dem dieser kleine Ausreißer nur Spaß macht.
    Oben, wo die Patienten auf dem Flur stehen und gar nicht mehr böse sind über die lange Wartezeit bei ihrem Doktor, denn eine Verhaftung ist immer etwas Interessantes, und wie die Sprechstundenhilfe erzählt hat, ist dies sogar ein Politischer, ein Kommunist, und diesen Brüdern geschieht es ganz recht - oben also geht es an all diesen Gesichtern vorbei in das Behandlungszimmer des Arztes.
    Das Fräulein Kiesow wird gleich von dem Assistenten hinausgeschickt, der Arzt aber darf bei der Vernehmung dabeibleiben und hört, wie der Assistent sagt: «So, mein Sohn, nun setz dich erst mal hier auf den Stuhl und ruh dich von deiner Rennerei aus. Du machst ja ordentlich einen abgehetzten Eindruck! Wachtmeister, Sie können dem Herrn erst einmal die Fessel wieder abnehmen. Der rennt uns nicht noch einmal weg - oder?»
    «Nein, nein!» versichert Enno Kluge verzweifelt, und schon rollen die Tränen über sein Gesicht.
    «Würde ich dir auch nicht geraten haben! Das nächste Mal knallt's, und ich kann schießen, Sohn!» Der Assistent bleibt dabei, den wohl zwanzig Jahre älteren Kluge mit
    «Sohn» anzureden. «Na, weine man bloß nicht so! So schlimm wird's ja gar nicht gewesen sein, was du ausgefressen hast. Oder?»
    «Gar nichts habe ich ausgefressen!» stößt Enno Kluge unter Tränen hervor. «Rein gar nichts!»
    «Aber natürlich, Sohn!» stimmt der Assistent zu. «Darum rennst du ja auch so schnell wie ein Hase, sobald du die Uniform von einem Wachtmeister siehst! Doktor, haben Sie nicht irgendwas, womit Sie diesem Jammergestell wieder ein bißchen auf die Beine helfen können?»
    Jetzt, da der Arzt fühlt, alle Gefahr ist von seinem eigenen Haupt abgewendet, sieht er mit herzlichem Mitleid auf dieses unglückselige Männlein. Auch so ein Geschlagener des Lebens ist das, den jedes Hindernis umwirft.
    Der Doktor ist in der Versuchung, dem Kleinen auch eine Spritze Morphium zu bewilligen, in leichtester Dosierung.
    Er wagt es aber nicht recht wegen des Kriminalbeamten.
    Lieber ein bißchen Brom
    Aber während er das Bromsalz noch im Wasser auflöst, sagt Enno Kluge: «Ich brauch nichts. Ich will nichts einnehmen. Ich lasse mich nicht vergiften. Ich will lieber aussagen .»
    «Na also!» sagt der Kriminalbeamte. «Wußte ich doch, daß du vernünftig werden würdest, Sohn! Dann erzähle also mal .»
    Und Enno Kluge wischt sich die Tränen von den Backen und fängt an zu erzählen .
    Als er nämlich mit Weinen anfing, hat er ganz echte Tränen geweint, einfach weil ihn seine Nerven im Stich ließen. Wenn es aber auch ganz echte Tränen waren, so weiß Enno doch längst aus seinem Umgang mit den

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