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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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arbeitete es in Kluges Gesicht, dann entschloß er sich diesem sympathischen Mann gegenüber zu einem
    Teilgeständnis. «Ich arbeite denen ja nicht genug!»
    «Na, und was meinen Sie selbst, Herr Kluge? Arbeiten Sie Ihrer Ansicht nach genug - oder?»
    Wieder überlegte Kluge. «Ich bin doch so viel krank», sagte er kläglich. «Aber die sagen nur, jetzt ist keine Zeit zum Kranksein.»
    «Sie sind doch nicht immer krank? Nun, und wenn Sie nun nicht krank sind und arbeiten - tun Sie dann genug?
    Wie denken Sie darüber, Herr Kluge?»
    Wieder entschloß sich Kluge. «Ach Gott, Herr Kommissar», klagte er an, «die Weiber laufen mir doch so nach!»
    Es klang ebenso kläglich wie eitel.
    Der Kommissar schüttelte bedauernd mit dem Kopf hin und her, als sei das freilich schlimm.
    «Das ist nicht gut, Herr Kluge», meinte er dann. «In unsern Jahren läßt man ja nicht gerne was aus, nicht wahr?»
    Kluge sah ihn nur mit einem schwachen Lächeln an, froh, bei diesem Mann Verständnis gefunden zu haben.
    «Ja», sagte der Kommissar. «Und wie steht's da mit der Kasse?»
    «Ich wett manchmal ein bißchen», gestand Kluge.
    «Nicht viel und nicht hoch, Herr Kommissar. Nie mehr als höchstens mal fünf Mark, wenn ein Tip ganz sicher ist, das schwöre ich Ihnen, Herr Kommissar!»
    «Und wovon bezahlen Sie das, Herr Kluge, die Weiber und die Wetten? Wenn Sie doch nicht viel arbeiten?»
    «Aber die Weiber bezahlen doch mich, Herr Kommissar!» sagte Kluge fast ein wenig gekränkt über soviel Unverstand. Er lächelte eitel. «Weil ich doch so tüchtig bin!»
    setzte er hinzu.
    In diesem Augenblick legte der Kommissar Escherich die Beschuldigung, dieser Enno Kluge habe auch nur das geringste mit der Abfassung oder Verbreitung der Karten zu tun, endgültig zu den Akten. Dieser Kluge war zu so was einfach nicht imstande, alle Voraussetzungen fehlten ihm dafür. Aber befragen mußte er ihn deswegen doch, denn er mußte ja ein Protokoll anfertigen über dieses Verhör, ein Protokoll für die Herren Vorgesetzten, damit die erst mal Ruhe hielten, ein Protokoll, das den Kluge weiter unter Verdacht hielt, Schritte gegen ihn begründete ...
    So zog er denn die Karte aus der Tasche, legte sie vor Kluge hin und sagte ganz gleichgültig: «Sie kennen diese Karte, Herr Kluge?»
    «Ja», sagte Enno Kluge erst ganz gedankenlos, aber zusammenschreckend verbesserte er sich: «Das heißt natürlich nein. Ich habe sie vorhin vorlesen müssen, den Anfang heißt das. Sonst kenn ich die Karte nicht! Heilig wahr, Herr Kommissar!»
    «Na, na!» tat Escherich zweiflerisch. «Herr Kluge, wo wir über so 'ne große Sache wie über Ihre Arbeiterei und das KZ klargeworden sind, wo ich selbst zu Ihren Herren hingehen und die Sache für Sie ordnen werde, da werden wir uns doch über so 'ne kleine Sache wie diese Karte einig werden!»
    «Ich hab nichts damit zu tun, gar nichts, Herr Kommissar!»
    «Ich geh ja nicht so weit, Herr Kluge», sagte der Kommissar, ungerührt von diesen Beteuerungen, «ich geh ja nicht so weit wie mein Kollege, der Sie für den Kartenschreiber hält, und der Sie durchaus vor den Volksgerichtshof schleppen will und dann: Rübe ab, Herr Kluge!»
    Der kleine Mann erzitterte, und sein Gesicht wurde aschfahl.
    «Nein», sagte der Kommissar beruhigend und legte seine
    Hand wieder auf die des andern. «Nein, für den Kartenschreiber halte ich Sie nicht. Aber ... daß die Karte auf dem Flur des Arztes lag, und Sie haben sich doch verdächtig viel auf dem Flur zu schaffen gemacht, und dann Ihre Unruhe, Ihr Weglaufen. Und für alles sind gute Zeugen da - nein, Herr Kluge, es ist schon besser, Sie sagen mir die Wahrheit. Ich möchte doch nicht, daß Sie sich selbst ins Unglück stürzen!»
    «Die Karte muß von außen reingesteckt sein, Herr Kommissar. Ich habe mit ihr nichts zu schaffen, heilig wahr, Herr Kommissar!»
    «Kann ja gar nicht von außen reingesteckt sein, so wie die gelegen hat! Und fünf Minuten vorher ist sie noch nicht dagewesen, das wird das Fräulein vom Arzt beschwören. In der Zwischenzeit waren Sie aber auf der Toilette. Oder wollen Sie behaupten, es war noch jemand anders aus dem Wartezimmer auf dem Klo?»
    «Nein, glaube ich nicht, Herr Kommissar. Nein, bestimmt nicht. Wenn's um fünf Minuten geht, dann bestimmt nicht. Ich wollte nämlich schon eine ganze Weile rauchen, und darum habe ich aufgepaßt, ob einer auf die Toilette ging.»
    «Na also!» sagte der Kommissar, anscheinend sehr befriedigt. «Da sagen Sie es ja

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