Jeder stirbt für sich allein
ich kann die größten
Schwierigkeiten davon haben. Es wäre wirklich anständig von Ihnen, Herr Kluge, wenn Sie mir das von dem Mann in der Frankfurter Allee unterschreiben würden, da ist doch für Sie gar kein Risiko dabei. Der Mann kann ja gar nicht aufgefunden werden, also, Herr Kluge!»
So sanft bohrendem Zureden war Enno Kluge eigentlich nie in seinem Leben gewachsen gewesen. Er stand zweifelnd da. Die Freiheit lockte, und mit der Fabrik würde auch alles in Ordnung kommen, wenn er diesen Mann da nicht vor den Kopf stieß. Er hatte eine schreckliche Angst davor, diesen netten Kommissar vor den Kopf zu stoßen. Dann bearbeitete womöglich der Bulle den Fall weiter, und der würde ihn eines Tages doch noch dazu bringen, den Einbruch bei der Rosenthal zu gestehen. Dann war Enno Kluge verloren, der SS-Mann Persicke ...
Er konnte wirklich dem Kommissar den Gefallen tun -
was war dabei? Es war so 'ne Quatschkarte, irgendwas Politisches, mit dem er nie was zu tun gehabt hatte, wovon er nichts verstand. Und der Mann in der Frankfurter Allee würde wirklich nie zu finden sein, weil es ihn einfach nicht gab. Ja, er wollte dem Kommissar den Gefallen tun und unterschreiben.
Aber dann warnte ihn wieder seine angeborene Vorsicht, seine Ängstlichkeit. «Ja», sagte er, «und wenn ich unterschrieben habe, dann lassen Sie mich doch nicht
frei.»
«Aber! Aber!» sagte der Kommissar Escherich und sah sein Spiel schon so gut wie gewonnen. «Wegen so 'ner Dreckskarte, und wo Sie mir doch einen Gefallen tun. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Herr Kluge, als Kriminalkommissar und als Mensch: Sobald Sie das Protokoll unterschrieben haben, sind Sie frei.»
«Und wenn ich nicht unterschreibe?»
«Sind Sie natürlich auch frei!»
Enno Kluge entschloß sich. «Also, ich werd es unterschreiben, Herr Kommissar, damit Sie keine Unannehm-lichkeiten haben, und ich tu Ihnen auch mal einen Gefallen. Aber Sie vergessen das nicht mit meiner Fabrik?»
«Wird heute noch erledigt, Herr Kluge. Heute noch!
Lassen Sie sich da morgen mal ein bißchen sehen, und unterlassen Sie überhaupt diese blöde Krankschreiberei. Mal einen Tag blau, sagen wir einmal in der Woche, da wird niemand mehr ein Wort sagen, wenn ich mit denen gesprochen habe. Soll es so recht sein, Herr Kluge?»
«Aber natürlich! Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kommissar!»
So sprechend, waren sie über den Zellengang wieder in der Stube angelangt, wo der Assistent Schröder wartend saß, gespannt, wie das Verhör ausgefallen sein würde, und im voraus schon in sein Schicksal ergeben, wenn es doch etwas setzte. Er sprang auf, als die beiden eintraten.
«Na, Schröder», sagte der Kommissar lächelnd und deutete mit dem Kopf auf Kluge, der klein und ängstlich bei ihm stand, denn der Bulle sah ihn schon wieder furchteinflößend an. «Da haben Sie unsern Freund. Er hat mir eben zugegeben, daß er die Karte bei dem Doktor auf den Flur gelegt hat, er hat sie von einem Herrn auf der Frankfurter Allee bekommen .»
Der Brust des Assistenten entrang sich ein Laut wie Stöhnen. «Den Donner!» sagte er dann. «Aber er kann doch gar nicht ...»
«Und jetzt», fuhr der Kommissar unberührt fort, «und jetzt machen wir beide hier nur ein kleines Protokoll, und dann geht der Herr Kluge nach Haus. Ist frei. Stimmt's, Herr Kluge, oder stimmt's nicht?»
«Ja», antwortete Kluge, aber nur ganz leise, denn die Gegenwart des Bullen flößte ihm immer neue Bedenken und neue Angst ein. Der Assistent aber stand ganz dämlich da. Der Kluge hatte die Karte nicht hingelegt, nie und nie im Leben, das stand für ihn fest. Und nun war der Kluge doch bereit, das Gegenteil zu unterschreiben.
Was für ein Fuchs, dieser Escherich! Wie er das wohl erreicht haben mochte? Schröder gestand sich - nicht ohne Neid - ein, daß dieser Escherich ihm weit überlegen war.
Und dann, nach solchem Geständnis, den Burschen auch noch freilassen! Nicht zu verstehen, nicht zu durchschau-en! Na, es gab eben immer noch Klügere, so schlau man sich auch vorkam.
«Hören Sie, Kollege», sagte Escherich, der jetzt die Verblüffung des Assistenten genug genossen hatte, «Sie könnten eigentlich einen Gang für mich tun, jetzt gleich, aufs Präsidium.»
«Zu Befehl, Herr Kommissar!»
«Sie wissen, ich habe da doch diesen Fall - wie hieß er doch gleich? -, ach ja, diesen Fall Klabautermann. Sie erinnern sich doch, Kollege?»
Die Augen beider trafen sich und verstanden sich.
«Also, Herr Schröder, Sie gehen für mich
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