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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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selbst: Nur Sie, nur Sie
    allein können die Karte auf den Flur gelegt haben!»
    Kluge starrte ihn mit weit aufgerissenen, jetzt wieder völlig erschreckten Augen an.
    «Nachdem Sie das also eingestanden haben ...»
    «Ich habe nichts eingestanden, nichts! Ich habe nur gesagt, in den letzten fünf Minuten ist niemand vor mir auf dem Klo gewesen!»
    Kluge schrie das fast.
    «Aber, aber!» sagte der Kommissar und schüttelte mißbilligend den Kopf. «Sie werden doch ein eben abgelegtes Geständnis nicht gleich widerrufen wollen, dafür sind Sie doch ein viel zu vernünftiger Mann. Ich müßte den Widerruf auch ins Protokoll nehmen, Herr Kluge, und so was sieht nie hübsch aus.»
    Kluge starrte ihn verzweifelt an. «Ich habe doch nichts gestanden ...» flüsterte er tonlos.
    «Wir werden uns darüber schon noch einig werden», meinte Escherich beruhigend. «Nun sagen Sie mir erst mal: Wer hat Ihnen die Karte zur Ablage gegeben? War's ein guter Bekannter, ein Freund, oder hat Sie jemand auf der Straße angesprochen und Ihnen ein paar Mark dafür gegeben?» «Nichts! Nichts!» schrie wieder Kluge. «Ich habe die Karte nicht in der Hand gehabt, mit keinem Auge habe ich sie gesehen, ehe sie mir Ihr Kollege gab!»
    «Aber, aber, Herr Kluge! Sie haben vorhin selber zugegeben, daß Sie die Karte auf den Flur gelegt haben .»
    «Nichts habe ich zugegeben! So was habe ich nie gesagt!»
    «Nein», sagte Escherich, strich sich über den Bart und wischte damit ein Lächeln fort. Es machte ihm jetzt schon viel Vergnügen, diesen feigen, jammernden Hund ein bißchen tanzen zu lassen. Das wurde noch ein ganz nettes Protokoll mit starkem Verdacht - für die Vorgesetzten.
    «Nein», sagte er, «in der Form haben Sie es nicht gesagt.
    Sondern Sie haben nur gesagt, daß nur Sie die Karte dort abgelegt haben können, daß niemand außer Ihnen dort gewesen ist, und das bedeutet wohl ebensoviel.»
    Enno starrte ihn mit weit offenen Augen an. Dann sagte er plötzlich mürrisch: «Das habe ich auch nicht gesagt. Es können übrigens auch andere Leute auf die Toilette
    gegangen sein, nicht nur die vom Wartezimmer.»
    Er setzte sich wieder; in der Erregung vorhin, bei den falschen Beschuldigungen war er aufgesprungen.
    «Aber ich sage gar nichts mehr aus. Ich verlange einen Anwalt. Und ein Protokoll unterschreibe ich auch nicht.»
    «Aber, aber», sagte Escherich. «Habe ich denn schon von Ihnen verlangt, Herr Kluge, daß Sie ein Protokoll unterschreiben? Habe ich mir auch nur eine Notiz gemacht von dem, was Sie ausgesagt haben? Wir sitzen doch hier wie zwei alte Freunde, was wir hier reden, geht keinen was an.»
    Er stand auf, öffnete die Zellentür weit.
    «Sehen Sie, niemand auf dem Gang, der horcht. Und da machen Sie mir solche Schwierigkeiten wegen so einer albernen Karte? Sehen Sie, ich lege ja gar keinen Wert auf diese Karte. Das ist ja ein Idiot, der die geschrieben hat!
    Aber wo die Sprechstundenhilfe und mein Kollege doch so viel Aufhebens davon machen, muß ich der Sache nachgehen! Seien Sie kein Frosch, Herr Kluge, sagen Sie mir einfach: Ein Herr auf der Frankfurter Allee hat sie mir gegeben, er will dem Doktor einen kleinen Streich spielen, hat er gesagt. Und zehn Mark hat er Ihnen dafür gezahlt.
    Sie haben doch einen ganz neuen Zehnmärker in der
    Tasche gehabt, den habe ich doch schon gesehen. Sehen Sie, wenn Sie mir das jetzt erzählen, dann sind Sie mein Mann. Dann machen Sie mir keine Schwierigkeiten, dann kann ich beruhigt nach Haus gehen.»
    «Und ich? Wohin geh ich? In die Plötze! Und dann Kopf ab! Nee, Herr Kommissar, das sage ich nie und nie aus!»
    «Sie, wohin Sie gehen, Herr Kluge, wenn ich nach Haus gehe? Sie gehen doch auch nach Haus, haben Sie das denn immer noch nicht begriffen? Sie sind frei, so oder so, ich laß Sie laufen .»
    «Wahr, Herr Kommissar, heilig wahr? Ich kann gehen auch ohne Aussage, ohne Protokoll?»
    «Aber natürlich können Sie gehen, Herr Kluge, jetzt auf der Stelle können Sie gehen. Nur eines überlegen Sie sich noch mal, ehe Sie gehen ...»
    Und er tippte dem erregt Aufgesprungenen, schon nach der Tür Hingewendeten auf die Schulter.
    «Sehen Sie, ich regle das in Ihrer Fabrik für Sie, den Gefallen tu ich Ihnen. Das habe ich Ihnen versprochen, und ich halte Wort. Aber nun denken Sie auch mal einen Augenblick an mich, Herr Kluge. Denken Sie mal an all die vielen Schwierigkeiten, die ich von meinem Kollegen kriege, wenn ich Sie laufenlasse. Der verklatscht mich doch bei meinem Vorgesetzten,

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