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Jedes Kind Kann Regeln Lernen

Titel: Jedes Kind Kann Regeln Lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Zahn
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Verhalten die Kinder auswählen, macht keinen großen Unterschied. Jedes Kind hat sein eigenes Temperament und seine eigene Veranlagung. Jede Mutter hat aber auch ihre besonders verletzliche Seite. Nicht selten haben Kinder ein sehr genaues Gespür dafür, mit welchem Verhalten sie ihre Mutter oder ihren Vater am wirkungsvollsten verunsichern können. Je unsicherer die Eltern wirken, desto eher bekommt das Kind "Oberwasser" für sein auffälliges Verhalten. Es lernt zusätzlich: "Ich bekomme damit nicht nur Aufmerksamkeit, sondern ich setze sogar meinen Willen durch! Ich bin stärker als meine Eltern! Ich entscheide hier im Haus, wie es läuft!"
    Tatsächlich bekommt ein Kind oft viel mehr Einfluß, als ihm gut tut. Es fühlt sich stark, weil es im Machtkampf mit anderen -sogar mit Erwachsenen - oft Sieger bleibt. Mit echtem Selbstvertrauen hat das allerdings nichts zu tun. Das Kind ruht nicht in sich selbst. Es fühlt sich nicht angenommen. Es muß sich und den anderen ständig beweisen, daß es "stärker" ist. Es muß täglich aufs Neue um Aufmerksamkeit kämpfen, weil es zu der Überzeugung gekommen ist: "Freiwillig beschäftigt sich ja doch keiner mit mir. Wenn ich mich auffällig verhalte, kümmert sich sofort jemand um mich. Wenn ich mich mal normal und friedlich benehme, passiert gar nichts."
    Die Gefahr, daß genau das eintritt, ist sehr groß. Eltern, die ihrem Kind immer wieder erklären, warum es dies oder jenes nicht tun soll, immer wieder mit ihm schimpfen, immer wieder diskutieren und letztendlich immer wieder nachgeben, werden mit der Zeit sauer. Sie merken, daß ihr Handeln keinen Erfolg hat. Die Mißerfolge machen mürbe. Irgendwann liegen die Nerven blank. Der Umgang mit dem Kind wird zunehmend gereizter. Die Angst vor dem nächsten Streit sitzt den Eltern manchmal schon im Nacken, wenn das Kind tatsächlich mal eine Zeitlang friedlich ist.
    Auch besonders engagierte Eltern, die sich viel Zeit für ihre Kinder nehmen, können unbemerkt und ungewollt in den Kreislauf "Kampf um Aufmerksamkeit" hineingeraten. Für das Kind ist es unmöglich, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien. Nur die Eltern können den Anfang machen und an irgendeiner Stelle aus dem Kreislauf ausscheren.

    Abbildung 1: Die Pfeile im Kreis entsprechen den Pfeilen in den folgenden Fallbeispielen.
    Durch diesen Kreislauf können ganz verschiedene "schwierige" Verhaltensweisen des Kindes aufrecht erhalten werden. Auch können die Eltern ihrem Kind auf ganz verschiedene Art und Weise Aufmerksamkeit geben. Erstaunlicherweise empfinden Kinder nämlich auch negative Zuwendungen wie Schimpfen, Ermahnungen und Schläge als "Im-Mittelpunkt-Stehen" - nicht nur Trösten, gemeinsames Spielen und Auf-den-Schoß-Nehmen. Es ist, als ob die Kinder meinten: "Wenn ich schon keine liebevolle Zuwendung bekommen kann, will ich wenigstens ablehnende Aufmerksamkeit." Die folgenden Beispiele sollen den Kreislauf "Kampf um Aufmerksamkeit" verdeutlichen.
Fallbeispiele
    Das Kind verhält sich auffällig: Manuel , 5 Jahre alt, macht jeden Abend beim Zubettgehen eine Stunde lang "Theater". Er will nicht nur eine, sondern viele Geschichten, steht danach immer wieder auf, will etwas essen oder etwas trinken und verlangt jeden zweiten Tag, daß seine Mama sich zu ihm legt, weil er "Angst" hat. -> Eltern reagieren mit Aufmerksamkeit: Manuels Mama liest jeden Abend mindestens drei Geschichten vor. Manuel verlangt regelmäßig mehr und weint. Meistens gibt die Mutter nach und liest weiter. -> Kind lernt: Auffälliges Verhalten wird belohnt: Manuel spürt: "Mit Weinen kann ich meistens noch eine oder zwei Geschichten mehr herausschlagen. Mal sehen, was ich noch alles erreichen kann." -> Kind wiederholt auffälliges Verhalten: Manuel macht weiter "Theater". Er steht auf, ruft, weint, fordert. -> Eltern sind gereizt und reagieren zunehmend widerwillig mit Aufmerksamkeit: Anfangs ist Manuels Mama noch ruhig. Sie gibt ihm zu essen und zu trinken und schickt ihn immer wieder ins Bett. Irgendwann verliert sie die Nerven. Sie fängt an zu schreien: "Jetzt ist aber Schluß! Jeden Abend machst du so einen Zirkus! Das ist ja nicht zum Aushalten mit dir!" Einige Male hat sie Manuel in ihrer Verzweiflung festgehalten und geschüttelt, einmal hat sie ihn regelrecht verhauen. Wenn sie schließlich nachgibt und sich neben Manuel ins Bett legt, kocht sie innerlich vor Wut und wartet ungeduldig darauf, daß er endlich einschläft. -> Kind bekommt wenig spontane Zuwendung: Manuels

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