Jedes Kind Kann Regeln Lernen
angewendet werden.
Kapitel 2: Das Wichtigste in Kürze
• Wunsch und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander Viele Eltern haben an ihr Kind so hohe Erwartungen geknüpft, daß sie von seiner Entwicklung enttäuscht sind. Klüger ist es, das eigene Kind zunächst einmal so anzunehmen, wie es ist.
• Kinder lernen Regeln vom Babyalter an
Schon ein Baby kann sich Reaktionen der Eltern merken und daraus Schlußfolgerungen für sein eigenes Verhalten ziehen. Ob Baby, Kleinkind, Kindergartenkind oder Schulkind - Kinder lernen Regeln aus den Erfahrungen, die sie Tag für Tag mit ihren Eltern machen. Vom Kindergartenalter an wird Einfluß von außen immer wichtiger.
• Die Eltern wählen Regeln für ihre Kinder aus
Sie können sich dabei von eigenen Erfahrungen, von Vorbildern oder von fachlichen Ratschlägen leiten lassen. Es hat große Vorteile, wenn Eltern wissen, was ihnen wichtig ist - und welche Probleme sie sich ersparen wollen. In den ersten sechs Lebensjahren beklagen sich Eltern besonders oft, daß ihr Kind
- pausenlos beschäftigt werden will
- nicht "hört"
- mehrmals pro Woche Trotzanfälle hat
- Probleme mit dem Schlafen hat
In bestimmten Altersgruppen spielen Ängste, Eßstörungen und nächtliches Einnässen eine wichtige Rolle.
UND JEDEN TAG THEATER -DER KAMPF UM AUFMERKSAMKEIT
In diesem Kapitel erfahren Sie...
• welche guten Gründe Ihr Kind haben kann, sich auffällig zu benehmen
• wie es zu einem verhängnisvollen Kreislauf kommen kann, wenn Ihr Kind um Ihre Aufmerksamkeit kämpft
• welche wirksamen Gegenmittel einen Kampf um Aufmerksamkeit für Ihr Kind überflüssig machen
Gute Gründe für auffälliges Verhalten - ein Kreislauf
Ein Kind, das oft andere Kinder schlägt - ist es deshalb "aggressiv"? Ein Kind, das in wenig vertrauter Umgebung jedesmal weint - ist es "ängstlich"? Wenn es abends nicht schlafen will - ist es aus diesem Grund ein "schlechter Schläfer"? Wenn es sich oft brüllend auf den Boden wirft - ist es dann ein "Trotzkopf"?
Solche "Schubladen" helfen meiner Überzeugung nach wenig weiter. Wenn Ihr Kind erst einmal in einer solchen "Schublade" gelandet ist, kann es sich nur schwer wieder daraus befreien. Viel sinnvoller ist es, sich das Verhalten Ihres Kindes genau anzuschauen: Was passiert, unmittelbar bevor mein Sohn ein anderes Kind schlägt? Was passiert danach? Wie reagiere ich? Hat er gute Gründe, sich demnächst wieder zu prügeln? Hat er wirklich gute Gründe, es in Zukunft nicht mehr zu tun?
Fast immer hat ein Kind gute Gründe, mit seinem auffälligen Verhalten fortzufahren. Aus seiner Sicht gibt es wahrscheinlich keinen Grund, sein Verhalten zu ändern. Fast immer spielt dabei ein ganz grundlegender Wunsch Ihres Kindes eine Rolle: "Ich will Aufmerksamkeit! Ich will wichtig genommen werden! Ich will dazugehören!"
Schauen wir uns noch einmal das Verhalten der "schwierigen Kinder" aus dem ersten Kapitel (S. 19) an. Zunächst war da Paul, das Baby, das pausenlos beschäftigt werden will. Warum brüllt er so oft, obwohl er doch so viel Zuwendung bekommt? Die Gegenfrage: Warum sollte er damit aufhören? Er macht doch täglich viele Male die Erfahrung, daß sein Schreien sich auszahlt: Alle paar Minuten läßt sich seine Mami etwas Neues für ihn einfallen. Wie sollte er auf die Idee kommen, sich jemals eine eigene Beschäftigung zu suchen? Wie soll er auf die Idee kommen, daß er sich ganz allein entscheiden kann, mit dem Schreien aufzuhören - wo doch bisher jedesmal seine Mami ihn getröstet hat?
Erinnern Sie sich an Patrick, den "Schrecken der Spielgruppe"? (S. 14). Was passiert, wenn er wieder ein anderes Kind verhauen oder ihm Spielzeug weggerissen hat? Seine Mutter kommt schnell zu ihm, erklärt ihm, daß er das nicht darf, warum er das nicht darf, und beschäftigt sich in der nächsten Viertelstunde besonders intensiv mit ihm, um ihn "abzulenken". So hat er nichts verloren und jede Menge Aufmerksamkeit gewonnen. Warum sollte er sein Verhalten ändern?
Carola, die "schlechte Esserin" macht die Erfahrung: Ich bekomme von Mami am meisten Aufmerksamkeit, wenn ich beim Essen Theater mache. Damit kann ich jede Mahlzeit nach Belieben ausdehnen und kontrollieren. Miriam erreicht mit ihrem Trödeln, daß sie zu Hause bleiben darf. Vicky erreicht mit ihren Bauchschmerzen, daß sie nicht in die Schule muß.
Allen Kindern ist gemein: Ihr auffälliges, unerwünschtes Verhalten zahlt sich aus. Sie bekommen mehr Aufmerksamkeit. Welches auffällige
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