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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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besitzt, was mehr ist, als ich von Ihnen behaupten kann.« Sie hörte auf zu schreien und holte tief Luft. »Können Sie mir auf Ehre und Gewissen etwas Schlechtes über diesen Mann berichten? Ist er vielleicht vorbestraft? Oder ein notorischer Verbrecher? Oder verheiratet? Oder hat er, falls man ihm sonst nichts vorwerfen kann, vielleicht irgendwelche schlechte Gewohnheiten?«
    »Er ist perfekt«, sagte Mike, verächtlich die Oberlippe kräuselnd. Er war so wütend, daß er am ganzen Körper zitterte. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hintergangen gefühlt wie jetzt. In den letzten paar Tagen hatte er fünfmal mehr Mühe auf Samantha verwendet als auf irgendein anderes weibliches Wesen in seinem Leben, und hatte weniger von Samantha dafür bekommen als von jeder anderen Frau, die er bisher gekannt hatte. Das Mädchen, das im Kiosk an der Ecke Zeitungen verkaufte, war entgegenkommender als sie!
    Als sie seinen Ärger, dem es an jeglicher Berechtigung mangelte, bemerkte, warf sie die Arme frustriert in die Höhe. »Das ist die eigenartigste Situation, in die ich je in meinem Leben geraten bin! Sie sind gestern abend ausgegangen, weil Sie eine Verabredung hatten. Warum wollen Sie mir verwehren, was Sie für sich selbst in Anspruch nehmen?«
    Sich so nah zu ihr beugend, daß seine Nase fast ihr Gesicht berührte, erwiderte er: »Weil ich mit einer sechsundachtzigjährigen Frau in einem Pflegeheim verabredet war, die in einem Nachtclub gearbeitet haben will, in dem Maxie als Sängerin aufgetreten ist. Maxie - Sie erinnern sich? - war Ihre Großmutter. Ich bin am Samstagabend ausgegangen, um irgendeine alte Dame zu befragen, die sich nicht mehr daran erinnern kann, wer sie ist, geschweige denn, was im Jahr 1928 passierte, während Stein meinem Hause mit einem von diesen gottverdammten Montgomerys flirteten und, was weiß ich, noch alles trieben!«
    Sie funkelte ihn wütend an. »Sie sind krank, wissen Sie das? Sie sollten einen Psychiater aufsuchen!« Sie wandte sich von ihm ab und ging auf die Treppe zu. »Ich habe so ein Gefühl, daß Raine pünktlich sein wird. Ich werde Punkt zwei Uhr wieder hier unten sein.«
    Obwohl sie zu Mike gesagt hatte, daß ihn ihre Verabredung nichts anginge, hatte sein Zorn sie keineswegs kalt gelassen. Kam ein Mann denn niemals auf die Idee, sich zu fragen, ob er auch das Recht darauf hatte, wütend zu sein? Sie hatte sich als Erwachsene nie über etwas empört, ohne sich vorher zu fragen, ob sie sich auch empören durfte. Logischerweise hätte Mike sich doch niemals darüber aufregen dürfen, daß sie mit einem anderen Mann ausgehen wollte. Sie war erwachsen, ungebunden und hatte keine Affäre mit ihm. Was hatte er also für einen Grund, wütend zu sein?
    Sie knirschte mit den Zähnen. Nur einmal in ihrem Leben, ein einziges Mal nur, hätte sie wissen mögen - liebend gern wissen mögen -, was denn im Kopfe eines Mannes eigentlich vorging!
    Plötzlich hörte sie auf, sich über Mike zu ärgern. Wie seltsam, dachte sie bei sich, daß sie auf einen Mann wütend war, der ihr so wenig bedeutete! Sie war nicht so wütend auf ihren Ex-Gatten gewesen, als sie entdeckte, was er ihr angetan hatte, und auch nicht so empört über ihren Vater, als sie den Inhalt seines Testaments erfuhr. Sie erinnerte sich zwar, daß sie etwas durch das geschlossene Fenster hatte werfen wollen, als der Anwalt ihr seine Bedingungen vorlas, aber sie hatte sich noch rechtzeitig beherrschen können.
    Mike jedoch konnte sie tatsächlich dazu bringen, daß sie mit Tellern nach ihm warf. Michael Taggert konnte sie so wütend machen, daß sie mit bloßen Händen ein Telefonbuch in zwei Hälften zerreißen wollte.
    Ihren Kleiderschrank aufreißend, betrachtete sie all die herrlichen Sachen, die auf Bügeln darin hingen, und erinnerte sich daran, wie nett Mike zu ihr gewesen war, als sie zusammen einkauften. Er war einerseits der angenehmste, wohltuendste Mensch, dem sie jemals im Leben begegnet war, und andrerseits die widerlichste, sie bis aufs Blut reizende Person, die sie jemals in ihrem Leben gekannt hatte. Manchmal wollte sie sich in seinen Schoß kuscheln und ihm Dinge sagen, die sie noch keinem anderen Menschen erzählt hatte, und manchmal hätte sie ihm am liebsten eine Axt über den Schädel gehauen - mit der scharfen Seite nach unten.
    Alles in allem, dachte sie bei sich, während sie eine Hose aus naturfarbenem Leinen heraussuchte, würde es das beste für sie beide sein, wenn sie gleich nach dem Treffen

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