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Jene Nacht im Fruehling

Titel: Jene Nacht im Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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mit Barrett sein Haus verließ. Es hatte schon zu viel Aufregungen in ihrem Leben gegeben, als daß sie jetzt auch noch mit einem Hausherrn unter einem Dach leben wollte, mit dem sie sich ständig zankte.

10
    Als Raine an der Haustür läutete und Mike ihm öffnete, blieb dieser einen Moment, die Hand auf die Klinke gelegt, unter der Tür stehen und verwehrte ihm den Zutritt. »Wenn du sie anfaßt, Montgomery«, warnte er ihn, »wirst du in deinem Leben nie mehr Kinder zeugen können.«
    Raine lächelte nicht, sondern nahm nur mit einem Nicken zur Kenntnis, was ihm Mike damit eigentlich hatte sagen wollen: Sein Vetter erhob Anspruch auf Samantha.
    Mike zog sich dann in die Küche zurück, weil er meinte, nicht mit ansehen zu können, wie Sam einen anderen Mann anlächelte. Doch trotz seiner noblen Vorsätze fand er sich später am Flurfenster wieder, als er die Haustür hinter den beiden zufallen hörte, und beobachtete, wie sie in Richtung Central Park davongingen. In körperlicher Hinsicht, dachte er, waren die zwei als Paar ungeeignet: Samanthas kleine, aber wohlgerundete Figur paßte nicht zu dieser langen, dürren, ja knochigen Gestalt seines Vetters.
    Mike blickte wütend weg - wütend auf sich selbst. Vielleicht hatte Sam recht und er war verrückt. Noch nie hatte ihn die Eifersucht so geplagt wie jetzt, und das war keineswegs ein angenehmes Gefühl. Auch verstand er den Grund seiner Eifersucht nicht; denn Samantha hatte ihm wahrlich keinen Anlaß gegeben, sich einzubilden, daß sie ihm gehörte.
    Ihr Vater hatte das getan, dachte er, um sich zu rechtfertigen. Ihr Vater hatte ihn gebeten, sich nach seinem Tod seiner kostbaren Tochter anzunehmen. Im ersten Monat hatte er dieses Mandat, auf sie aufzupassen, nur mangelhaft wahrgenommen, aber seither hatte er versucht, verlorene Zeit wiedergutzumachen.
    Seufzend dachte Mike an den einsamen Nachmittag, der jetzt vor ihm lag. Wer würde da sein, der sich an so harmlosen Dingen wie an der Bestellung belegter Brötchen in einem Delikatessenladen erfreute? Wer würde ihm Fragen stellen und sich für seine Recherchen interessieren? Wer würde an seinen Rosen im Garten schnuppern? Wer würde ihn verstohlen von Kopf bis Fuß betrachten, wenn sie meinte, er merkte es nicht?
    Als Mike sich von dem Fenster abwenden wollte, sah er einen Mann aus dem Schatten eines Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite treten. In New York sah man natürlich überall irgendwelche Leute aus irgend etwas herauskommen, doch etwas an diesem Mann machte Mike auf ihn aufmerksam. Zum einen die Tatsache, daß er schon gestern an dieser Stelle gestanden hatte. Mike erkannte ihn wieder, weil allen Männern, die sich körperlich fit halten, andere Männer auffallen, bei denen sich das Hemd im Rücken über dem Trizeps bauscht. Zwar war dieser Typ nicht so muskulös, daß er mit dem Arm nicht mehr an den Brustkorb kam, aber daß er wußte, wie man einen Expander benützte, ohne erst die Gebrauchsanweisung lesen zu müssen, sah man ihm an. Mike entriegelte das Fenster, schob es in die Höhe und steckte den Kopf hindurch. Nachdem er den Mann ein paar Sekunden lang aus ihm unerfindlichen Gründen beobachtet hatte, war er sich zu neunundneunzig Prozent sicher: Dieser Typ verfolgte Sam und seinen Vetter.
    Mike verlor nun keine Zeit mehr, war binnen Sekunden ausgehfertig und verfolgte den Mann durch die Park Avenue, die Madison, dann die Fifth in den Central Park hinein. Im Park war Mike dann restlos davon überzeugt, daß dieser Typ Samantha beschattete, als er sich hinter der Statue von General Sherman versteckte, damit Raine, der gerade ein Eis und zwei Luftballons für Sam kaufte, ihn nicht sah.
    Einen Moment lang verlagerte sich Mikes Aufmerksamkeit von diesem Typ auf Sam, weil sie mit einer solchen Gerührtheit zu dieser Bohnenstange von einem Vetter aufsah, daß Mike fast übel wurde. Wenn man ihr Gesicht betrachtete, mochte man fast glauben, daß ihr noch nie jemand etwas Herrliches geschenkt hatte wie diese aufgeweichte Eiskremtüte und diese beiden schäbigen Luftballons. Und sein idiotischer Vetter grinste sie an, als habe er ihr den abgeschlagenen Kopf eines Drachens auf einem goldenen Teller überreicht. »Mir kommen gleich die Tränen«, murmelte Mike angewidert. Dann setzten sich die beiden in Bewegung und schlenderten durch den Park, wobei sie sich offenbar nicht bewußt waren, daß außer ihnen noch andere Menschen auf der Welt existierten. Mike verharrte so lange in seinem Versteck,

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