Jenseits aller Vernunft
ein paar Minuten eingeschlafen, aber sie hatte ihn noch nicht wieder in sein Bett legen wollen. Sie liebte es, das warme Bündelchen an sich zu spüren und zu fühlen, wie sein kleines Herz klopfte.
»Gute Nacht, Mr. Coleman.« Schuldbewu ss t sah sie zu, wie er hinauskletterte. Eigentlich hätte er sie hinausschicken und den Wagen selbst bewohnen können. Aber sie hatte ihm schon einmal vorgeschlagen, doch drinnenzubleiben, und er hätte ihr deswegen beinahe den Kopf abgerissen. So stur wie er konnte sie auch sein, und dasselbe Angebot würde sie ihm sicher kein zweites Mal machen.
Sie hatte noch nicht lange geschlafen, da donnerte es plötzlich, und sie fuhr auf. Als Clancey das letzte Mal zu ihr gekrochen war und ihr die Gurgel zugedrückt hatte, damit sie sich still verhielt, hatte es auch gedonnert. Auf ihrer Stirn und Oberlippe standen Schweißtropfen. Sie hatte von seinen grapschenden Händen auf ihrer Haut geträumt, von dem Schmerz und dem ekligen Höhepunkt ihres verlorenen Kampfes.
Wieder rollte der Donner, und ein scharfer Windstoß ließ den Regen auf das Segeltuch der Plane prasseln. Es klang wie Tausende kleiner Trommeln. Lydia schauderte im Nachhall ihres Alptraums und sah nach Lee. Er schlief fest. Sie dachte an Mr. Coleman draußen im Regen, und noch bevor sie es sich richtig überlegt hatte, kroch sie zum Hinterausgang.
Ungefähr zur gleichen Zeit, als Lydia aus ihrem Alptraum erwachte, fiel es Ross wie Schuppen von den Augen: Ganz schön dumm war er, die Wärme und Bequemlichkeit seines Wagens einer Streunerin zu überlassen, die wahrscheinlich sowieso in den nächsten Tagen verschwinden würde. Die Nässe drang ihm bis auf die Haut, denn der Wind fegte den Regen auch unter den Wagen. Das Mädchen konnte zum Teufel gehen und Mrs. Watkins, und wer immer wollte, auch gleich mit - ihn kümmerte jetzt außer Wärme nichts mehr. Er schob sich unter dem Wagen heraus und suchte gerade nach den Zipfeln der Plane, als Lydia sie von innen öffnete.
Voller Überraschung im Angesicht des anderen starrten sie einander an, ohne sich zu rühren. Erst beim nächsten Blitz, der einen grellen Ri ss in den Himmel schnitt, fanden sie in die Wirklichkeit zurück.
Lydia streckte den Arm aus, griff nach seiner Hand und half ihm ins Trockene. Drinnen fiel er schlotternd auf die Knie, während sich eine Pfütze um ihn bildete.
Ohne darauf zu achten, dass sie selbst naß wurde, hockte sich Lydia vor ihn und begann, ihm das Hemd aufzuknöpfen. »Ihr werdet Euch noch den Tod holen«, sagte sie besorgt, als sie ihm die durchweichte Hülle von den Schultern zog. »Raus aus den Hosen.«
Ross war zu aufgeweicht, um zu widersprechen, und gehorchte ohne Murren. Lydia warf das Hemd nach draußen auf die Stufen. Nasser konnte es nicht mehr werden. Sie zündete die Laterne an, drehte sie aber nur so hoch, dass sie ein ganz schwaches Licht verbreitete. Bei einem Blick über die Schulter sah sie ihn an seiner Gürtelschnalle nesteln. »Gebt mir alle Eure Kleider, ich schaffe sie nach draußen.«
Sie kehrte ihm den Rücken zu, konnte aber hören, wie er sich auszog. Seine Hosen schienen vor lauter Wasser zehn Pfund zu wiegen; aber es gelang ihr trotzdem, sie mit ausgestrecktem Arm entgegenzunehmen und samt Socken und Unterwäsche hinauszubefördern.
Als sie sich umsah, war Ross in eine Decke gewickelt. »Ihr zittert ja. Seid Ihr immer noch na ss ?« Sie griff in die Klappe, in der die Handtücher lagen und kam mit zweien zu ihm. »Trocknet Euch mal die Haare!«
Er legte sich ein Handtuch über den Kopf und rieb kräftig. Sie drückte ihm das andere Handtuch auf die Brust und begann ihn zu rubbeln. Ross hielt einen Moment inne, machte dann aber weiter, während sie ihm Brust, Schultern und den Bauch abtrocknete.
Sie war verblüfft, wie hart sich sein Körper anfühlte. Seine gebräunte Haut lag straff über Sehnen und Knochen. Es waren helle Flecken darin, lauter kleine Narben, und dann noch die eine große unter seiner linken Schulter, die aussah, als hätte eine riesige Faust eine Handvoll Fleisch herausgerissen. Ihre Zärtlichkeit war auf den Plan gerufen.
Auch das struppige Gebüsch auf seiner Brust faszinierte sie. Es sah aus wie dunkle Wolle, feucht und lockig. Aber je weiter ihre Hände über seinen Körper abwärtswanderten, desto seidiger und feiner wurde das Haar. In der Nähe seines Nabels war es nur noch eine schmale Linie.
Ross atmete tief ein, als er spürte, wie sie seinen Nabel berührte, und bi ss die
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