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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Zuge zu kommen. Aber schließlich war der Krieg seit sechs Jahren vorbei. Damals war sie wahrscheinlich noch ein Kind gewesen. »Wie alt seid Ihr?« Er überraschte sich selbst mit dieser Frage.
    »Dieses Jahr werde ich zwanzig. Und Ihr?«
    »Einiges älter«, sagte Ross finster. Wenn man nach Jahren rechnete, war er zweiunddreißig. Aber er stellte sich lieber vor, sein Leben hätte angefangen, als John Sachs ihn fand.
    Winston Hill kam auf einem weißen Pferd daher. »Einen schönen guten Tag, Miss Lydia, Mr. Coleman.«
    »Hallo, Mr. Hill.«
    »Hill.«
    »Ich habe gehört, dass wir mit etwas Glück gegen Abend Memphis erreichen werden.«
    »Das ist ein Gerücht«, meinte Ross kurz.
    Lydia fand es nicht nett, wie unhöflich Ross sich verhielt. Sie wollte nicht noch einmal wegen Winston Hill Streit vom Zaun brechen, aber so schlecht wie er wollte sie sich auch nicht benehmen. »Glaubt Ihr, dass wir Schwierigkeiten haben werden, hinüberzugelangen, Mr. Hill?« Sie hatte den Kopf zurückgelegt, damit sie ihn unter der Krempe ihres Huts hinweg ansehen konnte.
    »Das hängt davon ab, wieviel Wasser der Flu ss führt.« Er hielt inne, um in sein Taschentuch zu husten. »Wenn wir ihn überquert haben, würden Moses und ich Euch beide gern auf ein Glas Sherry zur Feier des Ereignisses einladen.«
    Lydia fragte sich, was Sherry wohl sein mochte. Aber wenn er so angenehm schmeckte, wie sein Name klang, würde sie ihn gern kosten. Sie wollte gerade die Einladung annehmen, da sagte Ross: »Nein, danke. Lydia hat an den meisten Abenden mit Lee zu tun und ich mit meinen Pferden.«
    Mr. Hill sah zwischen den beiden hin und her und sagte dann freundlich: »Vielleicht findet sich einmal ein Abend, an dem Ihr Zeit habt.« Er zog vor Lydia den Hut und ritt davon.
    »Beim nächsten Mal, wenn mich jemand einlädt, werde ich selbst für mich antworten, danke«, sagte Lydia, sobald er außer Hörweite war.
    »Nicht, so lange Ihr in meinem Wagen schlaft und bei mir e ss t«, knurrte er aus dem Mundwinkel. »Ich dulde nicht, dass Ihr mit ihm oder sonst wem flirtet, so lange Ihr für Lee sorgt.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?« brauste sie auf. »Ich war nur höflich, was Eurer Person gelegentlich auch recht gut anstehen würde.«
    »Das hat nichts mit Benehmen zu tun. Ich mag den Mann nicht.«
    »Er hat über Euch und Victoria nur Nettes gesagt, aber immer wenn er in der Nähe ist, bläht Ihr Euch auf wie ein Ochsenfrosch. Was hat er Euch denn getan?«
    Ross sagte nichts. Winston Hill war alles das, was er gern gewesen wäre. Einen Mann wie Winston hätte Victoria heiraten sollen. Ross erinnerte sich an den Abend, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Sie hatten gemeinsame Bekannte aufzuweisen und unterhielten sich in einer kultivierten Sprache, der er kaum zu folgen vermochte. Er hatte sich daneben wirklich überflüssig gefühlt.
    Ohne es so nennen zu wollen, war er also von Anfang an auf Hill neidisch gewesen. Der trug seine Zugehörigkeit zur Aristokratie vor sich her wie einen Schild, den alle sehen konnten. Und Ross wurde das Gefühl nicht los, dass seine eigene Abstammung genauso offensichtlich war, so sehr er sich auch bemühte, sie geheimzuhalten.
    »Warum hustet er denn immer?« fragte Lydia, ohne sich um Ross’ verkrampften Gesichtsausdruck zu kümmern.
    »Er ist tuberkulös.«
    »Tu... was?«
    »Er hat Tuberkulose. Schwindsucht. Hat sich in einem Gefangenenlager der Yankees angesteckt. Als er schließlich nach Hause zurückkam, war seine Plantage ruiniert und nur noch Moses übriggeblieben. Selbst das Haus lag in Trümmern. Er zog in die Stadt, aber das Wetter war nicht gut für seine Lungen. Also zieht er jetzt in ein wärmeres, trockeneres Klima.«
    Winston unterhielt sich gerade mit den Leuten in dem Wagen vor ihnen. Sie betrachtete den mageren jungen Mann, dessen Augen zwar freundlich wirkten, aber auch irgendwie viel älter als seine ganze Person. »Es tut mir leid.«
    Das schien Mr. Coleman erst recht zu ärgern. Bis zur Mittagsrast sprach er nicht mehr mit ihr.
    Memphis tauchte aus dem Nebel auf, als sie im Innern des Wagens saß und Mr. Coleman ihn in den Kreis der Wagenburg lenkte. Lydia hatte noch nie eine so große Stadt gesehen. Selbst aus der Ferne fand sie den Anblick beeindruckend. Sie hätte sie noch lange einfach betrachten mögen, aber es gab eine Menge zu tun.
    »Wir sollten möglichst bald ein Feuer machen, falls ich überhaupt trockenes Holz finde«, sagte Ross und sah hinauf in die schweren Wolken,

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