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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Gesellschaft eingeführt, und im Dezember war sie siebzehn geworden. Ihr den Zugang zur Erwachsenenwelt zu versagen war nichts als eine zusätzliche Gemeinheit, die sich ihre Stiefmutter ausgedacht hatte. Nur, warum die Dame, die ihre Stieftochter doch so wenig zu schätzen schien, dafür sorgte, sie noch ein bis zwei weitere Jahre um sich zu haben, anstatt sie an den Nächstbesten zu verheiraten, um sie endlich los zu sein, das ging nicht in Cattys Kopf.
    Irgendetwas war faul an Lucilla. Die Köchin hatte es gespürt, und die Frau war nicht dumm; vielleicht nicht genial oder gebildet, aber doch mit gutem Instinkt und Urteilsvermögen ausgestattet. Den Unterschied hatte Catty inzwischen zu spüren bekommen. Ihr Vater war intelligent – aber blind. Doch die Köchin war weise und hatte verstanden.
    Wenngleich Catrin noch immer nicht von der Existenz von Hexen überzeugt war, hatte sie doch begonnen, an das tägliche Übel zu glauben. Ihr Vater hatte jemanden geehelicht, für den der Ausdruck „gemein“ eigens geschaffen war, und jetzt mussten sie alle darunter leiden.
    Auch das war natürlich nicht richtig. Ihr Vater machte weiß Gott nicht den Eindruck, als litte er. Er war bis über beide Ohren verliebt. Catrin begriff nicht, wie ein wohlsituierter Herr im Alter ihres Vaters sich so vollständig verlieren konnte. Er war ja nun schon fast sechzig. Es erschien Catrin nachgerade ungehörig. Zugegeben, Lucilla war eine wunderschöne Frau mit ihrem hellblonden Haar und ihren blassgrünen Augen. Ihr Gesicht war von wohlgestalter Regelmäßigkeit, und sie sah aus wie eine Venusstatue, eine ewig lächelnde griechische Göttin.
    Dennoch sollten über alle Maßen intelligente Herren fortgeschrittenen Alters nicht auf einmal alles um sich herum vergessen, nur weil sie plötzlich eine Bilderbuchgöttin zur Gattin hatten. Früher hatte Catrin die freundlich humorvolle Anerkennung der Freunde ihres Vaters genossen. Nun war sie zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Das unwichtige Kind im Schulzimmer. Niemand schien sie zu vermissen.
    Dabei hatten sich Catrin und ihr Vater immer sehr nahe gestanden. Er war ein bekannter Mathematiker und Philosoph. Er hatte sich große Mühe gegeben, seiner einzigen Tochter eine umfangreiche und vernünftige Erziehung angedeihen zu lassen, die über Hauswirtschaft, Sticken und stumpfen Gehorsam hinausging.
    Catrin war dadurch nicht zur Philosophin geworden. Praktische Dinge lagen ihr entschieden mehr. Sie zog Tanzstunden der Mathematik vor, Musik der Philosophie und machte sich mehr aus Aquarellieren als aus Naturwissenschaften. Doch sie konnte sich nicht beklagen, dass sie vormals je vernachlässigt worden wäre.
    Die Lybrattes waren reich, Abkömmlinge eines napoleonischen Diplomaten, der das Königreich Bayern im Dienst des Empereurs betreten hatte und dortgeblieben war, auch nachdem Bayern schließlich die Seiten wechselte. Sein Sohn, Professor Lybratte, hatte seine hohe Intelligenz zusammen mit seinem über alle Maßen stattlichen Vermögen geerbt und seiner Tochter kaum je einen Wunsch versagt, sofern sie genau definieren konnte, was sie wollte.
    Was sie wollte oder nicht wollte hatte Catrin schon früh gewusst. Nur jetzt wusste Lucilla es besser. Am besten, um genau zu sein.
    Vielleicht war es klüger, mit dem Widerstand aufzuhören. Es war wohl an der Zeit, Lucilla etwas von ihrem eigenen Verhalten zurückzugeben. Nachspionieren und lauschen konnte nicht so schwierig sein. Ein wenig üble Nachrede an die Adresse ihres Vaters sollte auch möglich sein, doch dafür brauchte Catty Beweise. Irgendetwas Greifbares. Sie wusste ganz einfach, dass da etwas sein musste. Ihre Haut kribbelte in der Gewissheit, dass hier etwas sehr faul war. Warum nur konnte das keiner spüren?
    In den Augen anderer war Lucilla vollkommen.
    Der Haushalt war exzellent durchorganisiert, der Wildfang von Tochter wurde gezähmt, rundherum ausgebildet und gleichzeitig schön weit auf Abstand gehalten.
    Catty hatte nichts dagegen, ihr Bildungspotential zu verbessern, aber musste das alles so schmerzhaft vonstatten gehen? War es denn zu viel verlangt, dass Catty geliebt werden wollte? Oder wenigstens akzeptiert, so wie sie war?
    Sie übte ein Lächeln vorm Spiegel und musterte sich eingehend. Ihr schimmerndes Kupferhaar war zurückgekämmt und wurde von einem goldbraunen Samtband gehalten. Es fiel in lockiger Pracht über ihren Rücken. Eine Kinderfrisur. Ihre Augen waren von einem sehr hellen Braun, fast wie Topase, eingefasst

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