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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Ägypter.
    Mechanisch wiederholte Stephen die Befehlsrufe, die er von seinem Lieutenant hinter sich hörte, ließ seine Männer den Ägyptern die Gewehre abnehmen und sie nach versteckten Waffen und Munition durchsuchen, schließlich unter Gebrüll in Gruppen zusammenscheuchen. » Yalla, Yalla! Vorwärts, vorwärts!«, eines der wenigen Worte auf Arabisch, die man ihnen beigebracht hatte.
    Wie Vieh , schoss es Stephen mit einem Mal durch den Kopf. Wir treiben sie zusammen wie Vieh. Seine braunen Augen trafen sich mit den kohledunklen eines ägyptischen Soldaten. Die Hände auf dem Kopf verschränkt, drängte er sich furchtsam zwischen seine Kameraden, eingepfercht von den englischen Soldaten, die ihnen mit dem Gewehr drohten und sie anschrien. Der Ägypter mochte vielleicht so alt sein wie Stephen selbst, mit einem fein geschnittenen, trotz des Bartes beinahe sanften Gesicht. In seinen Augen erkannte Stephen die gleiche Angst wieder, die ihn nur wenige Minuten zuvor ebenfalls in ihren Klauen gehabt hatte. Tut uns nichts , schienen diese Augen ihn anzuflehen. Lasst uns am Leben!
    Scham durchflutete Stephen, und er wandte den Blick ab.

20
    »Oh verd–«, stöhnte Simon auf, rollte sich hastig auf die Seite und angelte vom Feldbett herunter nach dem Eimer. Im letzten Moment zog er ihn zu sich herauf und erbrach sich unter würgenden Geräuschen. Keuchend legte er sich wieder hin, hielt den Eimer aber weiterhin umklammert. Der stechend-gärige Brodem aus Fieberschweiß, Erbrochenem und von den Fäulnisgasen gereizten Gedärms hielt sich hartnäckig im Inneren des Lazarettzelts und verstärkte noch seine Übelkeit.
    »Die gute Nachricht: Es ist keine Cholera«, ächzte Royston ein Bett weiter und hielt sich den röhrenden und gurgelnden Bauch, der sich anfühlte, als ob sich glühende Krallen um seine Eingeweide krampften. »Die schlechte: Spaß macht das hier auch nicht.«
    »In zwei, drei Tagen seid ihr wieder auf den Beinen«, tröstete ihn Leonard, der sich auf einen Klapphocker am Fußende des Feldbettes gesetzt hatte.
    Ursprünglich war das Lager bei Gizeh nur als Übergang gedacht gewesen. Nur für ein oder zwei Nächte Mitte September, bis sie von hier aus zu der anderen Hälfte der britischen Armee stoßen und ihre Kameraden bei der Niederschlagung des Aufstands unterstützen würden. Brechdurchfall und Fieber hatten sie jedoch zum Bleiben gezwungen. Die meisten Erkrankungen verliefen glimpflich, aber es gab auch schon erste Tote zu beklagen, abseits des Lagers hastig im harten Boden verscharrt.
    Doch obwohl das fahle Licht der Laternen im Zelt Royston und Simon noch bleicher, fast wächsern aussehen ließ, war ihnen anzusehen, dass sie beide jung und stark genug waren, um mit dieser tückischen Erkrankung von Magen und Darm fertig zu werden, und vor allem Roystons Humor erwies sich als unbezwingbar, wenn er in diesen Tagen auch etwas Galliges erhielt.
    »Dein ... Wort in ... Gottes Ohr«, brachte Royston mühsam hervor, während Simon sich erneut hustend und würgend über den Eimer beugte. »Du hast auch leicht reden ... Du Glückspilz bist ja mal wieder verschont geblieben!«
    »Zumindest ging’s mir lange nicht so dreckig wie euch«, gab Leonard leichthin zurück.
    Royston schnitt eine Grimasse, als ein erneuter Krampf seine Eingeweide durchlief. »Wärst ... wärst du nicht mein bester Freund, dann müsst’ ich dich dafür hassen!« Er sah Leonard aus fieberglänzenden Augen an. »Hast du was von Sis gehört? Ich hab ihr schon ... schon dreimal geschrieben und noch keine Antwort bekommen.«
    Leonard schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf. »Nein.« Er zuckte die Achseln. »Mein Schwesterchen war noch nie eine eifrige Briefeschreiberin.«
    Royston schnaufte und drehte sich auf die andere Seite. »Ich will ... heim«, stieß er hervor und vergrub sein Gesicht im harten, buckligen Kissen.
    »Ich auch«, japste Simon und stellte den Eimer zurück auf den Boden.
    So gut es ging in der Dunkelheit, achtete Jeremy auf jeden seiner Schritte über das Geröllfeld. Die Steine, die die Ebene übersäten, waren groß und kantig, der Weg dahinter durch den tiefen Sand, durchsetzt mit Gesteinsbrocken, nicht ohne Anstrengung. Aber er wusste, dass es sich lohnte; es war nicht das erste Mal, dass es ihn des Nachts hierhinzog, immer weiter fort von den Stimmen, dem Gelächter des Lagers. Ein kräftiger Wind fuhr ihm durchdie Haare und blies Fähnchen aus Sand vom Boden auf. Jeremy zog den Uniformrock enger um sich,

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