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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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es ging dabei auch um Simon Digby-Jones.
    Am Bedford würden seine Töchter von morgens bis abends von anderen Frauen und Mädchen umgeben sein, abgesehen von den überwiegend männlichen Mitgliedern des Lehrkörpers, die zu ihren jeweiligen Unterrichtsstunden ins Gebäude kamen und es danach wieder verließen. Dennoch widerstrebte es ihm, die Aufsicht über die beiden Mädchen aus der Hand zu geben. Andererseits waren sowohl Simon Digby-Jones als auch Jeremy Danvers mehr als zweitausend Meilen weit entfernt, und nachmenschlichem Ermessen war eine baldige Rückkehr des Royal Sussex unwahrscheinlich.
    Zwar hatten die Truppen von General Wolseley nach einem kurzen, erfolgreichen Gefecht bei Kassassin vor Tel el-Kebir den Aufständischen eine empfindliche Niederlage beigebracht: Arabis Truppen waren bei Sonnenaufgang in nur einer halben Stunde vernichtend geschlagen worden, und der Weg nach Cairo war für diesen Teil der Armee frei. Dennoch war ein Ende des Einsatzes in Ägypten einstweilen nicht in Sicht; zuvor müssten erst die restlichen Truppen den Vormarsch von Alexandria nach Cairo in Angriff nehmen, wo das Herz des Aufstands schlug. Bis die Rebellion im Keim erstickt und die Stadt befriedet sein würde, bis in Ägypten so weit Ruhe einkehrte, dass man die Truppen zurückbeorderte, würde noch viel Wasser den Cranleigh hinabfließen. Dem Colonel bliebe also genug Zeit, seine Töchter wieder heimzuholen, ins sichere familiäre Nest. Wenn er sich denn dazu entschiede, sie gehen zu lassen.
    »Falls ich euch die Erlaubnis gebe«, sagte er schließlich, »übertrage ich dir die Verantwortung für deine Schwester. Bist du dir dessen bewusst?«
    »Ja, Papa. Ich verspreche dir, gut auf Ada aufzupassen.« Einen Herzschlag lang durchzuckte Grace ein Anflug von Schuldbewusstsein. Ihr fiel ein, dass es einen Tag gegeben hatte, an dem sie einen Moment lang nicht gut genug auf ihre kleine Schwester geachtet hatte. Ein Moment, aus dem ein paar Stunden geworden waren. Jene Stunden mit Jeremy während des Gewitters, die ihr selbst so kostbar gewesen waren; Stunden, über die Ada nie ein Wort verloren hatte.
    »Lass mich noch eine Nacht darüber schlafen und in Ruhe mit eurer Mutter darüber sprechen«, ließ sich ihr Vater schließlich vernehmen.
    Unter dem verdutzten Blick Gladdys sprang Grace auf, lief um den Schreibtisch herum und schlang die Arme um ihren Vater. »Danke, Papa!«
    »Noch habe ich nicht Ja gesagt!«, brummte er.
    Grace löste sich von ihm und lachte, doch ihr Lachen erstarb, als ihr Vater sie am Handgelenk festhielt, weil sein Blick auf den Brief in ihrer Hand gefallen war. Rasch wollte sie sich losmachen, doch er war stärker und besah sich den Absender. 2nd Lt. J. Danvers, 1. Batt. R. Sussex, 4. Inf- konnte er zwischen ihren Fingern entziffern. Er sah seiner Tochter ins Gesicht, sah den Aufruhr darin.
    »Grace, ich habe immer große Stücke darauf gehalten, dass du weißt, was gut und richtig ist.« Seine Stimme war leise, bekam aber zunehmend eine eiserne Härte. »Und dass du dich bei allem, was du tust, von deiner Vernunft leiten lässt. Das erwarte ich auch weiterhin von dir.« Der Druck seiner Finger verstärkte sich. »Enttäusch mich nicht.«

19
    Das Licht des Septembertages, hellgelb und beinahe flüssig wie zerlassene Butter, glitzerte in den Tümpeln und Pfützen auf dem schlammigen Boden, brach sich in tausend Funken auf dem Wasser des Mahmoudia-Kanals, der sich durch die Ebene zog und Alexandria mit dem kostbaren Nass des Nils versorgte. Am Horizont schimmerte es türkisblau, und davor glänzten saftig grüne Felder. Wie aufgesetzte Flicken aus grobem Tuch erstreckten sich dazwischen braune Streifen, weiß beflockt wie von Schnee. Ein Trugbild vor dem Hintergrund der Palmen: Es waren Baumwollfelder, deren weiche Bällchen im dürren Gezweig wohl nicht mehr abgeerntet würden. Nicht, solange hier die Front verlief.
    Jeremy kniff die Augen zusammen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen. Das Royal Sussex war zwar mit Schutzbrillen gegen Sonne, Sand und Staub ausgerüstet, doch die Männer hatten sie auf ihre weißen Tropenhelme hinaufgeschoben. Denn die getönten Gläser in einer Fassung aus elastischem Gummi schränkten die Sicht zu sehr ein, waren nur für lange Märsche gedacht und nicht für den Kampf. Und für den Kampf waren sie hierhergekommen, nach Kafr el-Dawar, dreizehn Meilen hinter Alexandria.
    Sein Blick blieb an den Befestigungsanlagen hängen, die er hinter der Bahnlinie nach

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