Jenseits des Spiegels
Das ließ ich erst mal wirken. „Ich kann mich nicht erinnern, aber ich weiß ganz genau was du fühlst.“
„Lass bloß deine Finger von dem, Tal, der ist nicht ganz koscher.“
„Jenn hat recht, halt dich von Sven fern, der spielt nur mit dir, und dann lässt er dich fallen wie einen alten Sack Kartoffeln.“
„Hör auf damit, Sven, ich meine es ernst, ich will das nicht!“
„Man, das ihr Mädchen immer so rumzicken müsst.“
Sie sah mich so eindringlich an, als versuchte sie das innerste meiner Seele zu erforschen. „Du weißt was das bedeutet?“
„Ja.“ Pause. „Aber ich will nicht darüber nachdenken.“ Denn das würde es erst wirklich real machen. Die ganze Zeit hatte ich geglaubt, dass ich mich vor den Berührungen der anderen so fürchtete, weil sie so fremdartig waren. Im Traum wäre es mir nicht eingefallen, dass es dafür einen anderen Grund geben könnte. Erst als Kaj mir von dem schrecklichen Schicksal erzählte, das sie ereilt hatte, und dieses Gefühl der Verbundenheit durch mich hindurchgegangen war, kam mir überhaupt erst der Gedanke, dass es etwas ganz anderes sein konnte. Nur mein Vergessen hatte ich es zu verdanken, dass ich heute mit den Wölfen so frei umgehen konnte.
Kaj erhob sich aus ihrer Ecke, und kam zu mir ans Gitter. „Sie werden mich hier nicht raus lassen. Ich bin eine Mörderin.“
„Nein bist du nicht“, widersprach ich sofort. „Du wirst mit Sicherheit eine Strafe bekommen, wegen Kidnapping, und Beteiligung, oder so …“
„Kidnapping?“
„… aber wir wissen beide, dass du keinen von den Einzelläufern getötet hast. Das mit den Welpen aus deinem alten Rudel ist verjährt, und eine Sache zwischen Lykanern, daher wird es von dieser Seite aus keine Probleme geben. Gaare wird mir helfen dich hier rauszuholen, ich habe schon mit ihm gesprochen. Mit seiner Unterstützung sollte das nicht weiter schwer sein.“
„Netter Plan, aber da wäre noch eine Kleinigkeit die du übersehen hast: Was ist mit dem alten Mann im Wald? Den habe ich getötet, ob nun mit Absicht oder nicht, der Kerl ist tot.“
„Das war ein Unfall.“
„Ich weiß das, und du glaubst mir, selbst ohne Beweis – was ich übrigens ziemlich naiv von dir finde –, sei es drum. Aber kein anderer wird mir glauben.“
Auch dieses kleine Detail hatte ich bedacht. Ich war halt ziemlich ausgebufft. Talita, allzeit bereit und immer eine Lösung in der Hinterhand. „Ich werde die Geschichte so drehen, dass auch diese Tat Erion zulasten gelegt wird.“ Den mal ehrlich, auf einen Mord mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an, so viele Leben, wie er geopfert hatte, um seine Ziele zu erreichen.
„Aber deine kleinen Freunde …“
„Niemand weiß davon. Ich habe es für mich behalten. Der Tod des alten Mannes war wie der der Einzelläufer. Und das Mädchen ist so verwirrt, dass sie nicht einmal richtig mitbekommen hatte, was geschah. Der Mann ist tot, wie viele andere auch, warum also sollte der Täter ein anderer sein? Die Lykaner wissen nur, dass du der Tigerwolf warst, und Erions Opfer angelockt hast.“ Verdammt, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde, sie zu überreden, aus dieser Zelle zu kommen. Eigentlich sollte sie doch froh sein, dass ich sie hier rausholen wollte.
„Aber dein kleiner Zellengenosse kennt die Wahrheit. Er war dabei, als ich …“
„Die Nerven verloren hast, in deren Folge du all deine schmutzigen kleinen Geheimnisse ausgeplaudert hast?“
Sie grinste, obwohl es mehr einem Zähnefletschen glich. „So ungefähr.“
Und auf ein Neues. „Kovu wird den Mund halten, dafür sorge ich schon. Sonst noch irgendwelche Einwände, die ich abschmettern muss?“
„Ja, bist du dir wirklich sicher, dass du mit einer Welpenfresserin zusammen wohnen willst?“
„Nein bin ich nicht“, sagte ich ganz ehrlich.
Dafür bekam ich das erste richtige Lächeln, das ich je an ihr gesehen hatte. „Gut. Du besitzt also doch ein wenig Verstand.“
Da war ich mir nicht ganz so sicher.
°°°°°
The End
Verlag:
BookRix GmbH & Co. KG
Sankt-Martin-Straße 53-55
81675 München
Deutschland
Tag der Veröffentlichung: 16.02.2014
http://www.bookrix.de/-therianthrop
ISBN: 978-3-7309-8437-6
BookRix-Edition, Impressumanmerkung
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