Jerry Cotton - 0506 - Der Toeter und die grosse Angst
hatte.
Der Gang hatte keine Verbindung mit dem Keller seines Hauses. Er bildete eine separate Anlage, von der nicht einmal seine Vertrauten etwas wußten.
Gayer brachte es trotz seiner mißlichen Lage fertig, schadenfroh zu grinsen. Er hatte das Haus mit dem unterirdischen Gang damals wegen eines gewissen romantischen Appeals gekauft. Natürlich hatte ihn auch der Gedanke gelockt, mit der eigenartigen Idee seines berühmten Vorgängers eines Tages einen großen Coup landen zu können. Selbst seine bittersten Feinde würden ihm bescheinigen müssen, daß er der große alte Mann des organisierten Verbrechens war.
Er erreichte eine verrostete Eisentür und mühte sich verzweifelt ab, den eingerosteten Schlüssel herumzudrehen. Panik befiel ihn. Was war, wenn sich die Tür nicht öffnen ließ oder wenn der Schlüssel abbrach?
Er merkte, daß ihm die Kleidung am Leibe klebte. Er bemühte sich fieberhaft weiter. Endlich gab der Schlüssel nach, die Tür ließ sich öffnen. Aufatmend betrat er den Kellerraum und knipste das Licht an. Dann zog er den Schlüssel ab und verschloß die Tür von der Innenseite her.
Der Keller war groß und geräumig. Er enthielt ein eisernes Bettgestell mit Matratze und Wolldecken, einen Kühlschrank, einen Kleiderschrank und einen mit allerlei Verschnörkelungen verzierten Geldschrank, der noch älter als die Tunnelanlage zu sein schien.
Gayer trat an den Geldschrank und öffnete das Zahlenkombinationsschloß. Dem Schrankinneren entnahm er zwei schwarze Köfferchen. Er überzeugte sich davon, daß der Inhalt nicht berührt worden war. In dem einen Koffer befanden sich gebündelte Dollarscheine im Werte von über einer Viertelmillion, im anderen lag eine MP mit zwei Ersatzmagazinen.
Gayer rümpfte die Nase. Die MP gefiel ihm nicht. Er war aus dem Alter heraus, wo man so etwas in die Hand nahm. Aber es war die einzige Waffe, die er hier unten versteckt hielt. Er brauchte sie, um eventuell auftauchende Gegner aus dem Wege räumen zu können.
Er schloß beide Koffer und verließ mit ihnen den Keller. Durch den Ausgang gelangte er in einen dunklen Hof. Über sich sah er den Sternenhimmel. Das Nachtblau wurde schon dünner; irgendwo im Osten graute der Morgen herauf. Polizeisirenen ertönten und kamen rasch näher. Die FBI-Leute hatten also Verstärkung angefordert, um die hermetische Abriegelung des Grundstücks noch effektvoller zu gestalten.
Gayer eilte mit den beiden Koffern bis an den Holzzaun zum Nachbargrundstück und kletterte hinüber. Er verfluchte die damit verknüpften Anstrengungen. Trotzdem war er stolz auf seine Leistung. Für einen Mann seines Gewichtes bewegte er sich recht flink. Er mußte noch über zwei weitere Zäune klettern, bis er das dritte Grundstück und einen großen Garagenhof erreichte. Dieses Grundstück war noch in Sichtweite seines eigenen Hauses, aber davon schon rund zweihundert Yard entfernt.
Ein Wagen, der dieses Grundstück verließ, würde keine Aufmerksamkeit erregen.
Gayer eilte bis an die Garagenbox 21. Er hob das Kipptor an und verstaute die beiden Koffer im Innern des in der Garage geparkten Ford Station Cars.
Es war ein Modell aus dem Jahre 61, brandneu, aber noch nie benutzt. Der Wagen war ausschließlich für eventuelle Fluchtzwecke abgestellt worden. Pinky Berger oblag seine Betreuung. Er besorgte jährlich von der Steuerbehörde neue Nummernschilder, und er achtete darauf, daß die Batterie und die Maschine startklar blieben.
Gayer zwängte sich auf den Fahrersitz. Der Zündschlüssel steckte. Gayer drehte ihn herum und kuppelte gleichzeitig aus, um den Motor zu starten. Nichts rührte sich Nicht einmal die Armaturenbrettbeleuchtung ging an. Die Batterie war tot.
Gayer verspürte das gleiche Panikempfinden, das ihn erst vor wenigen Minuten an der verrosteten Kellertür befallen hatte. Er drehte den Schlüssel vor und zurück, vor und zurück. Ohne Erfolg. Gayer atmete keuchend und mit offenem Mund. Dieser idiotische Pinky! Gayer hätte ihn am liebsten mit einer Garbe aus seiner MP bedient, aber sein Gorilla war nicht hier, und Rachevorstellungen waren das letzte, was er sich im Moment leisten konnte.
Er stieg aus und klappte die Motorhaube auf. Es war zu dunkel, um etwas erkennen zu können, aber seine tastenden Finger erfaßten schon bald die Batterie. Er hämmerte mit den Fäusten auf die Kabelanschlüsse. Im nächsten Moment ging im Wagen die Armaturenbeleuchtung an. Gayer stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und schloß die
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