Jerry Cotton - 0514 - Terror im Raketencamp
Sie das sagen, Mr. Cotton. Vielleicht werden mich die Gerichte tatsächlich freisprechen. Aber von meiner moralischen Schuld kann mich niemand befreien. Auf den Sieg der Gerechtigkeit!«
Cumming setzte sein Glas an die Lippen und trank es leer. Baxter und ich folgten seinem Beispiel.
Als wir absetzten, war Cumming in den Sessel zurückgefallen.
»Wissen Sie, Cotton, Zyankali ist… ein zuverlässiges… Gift«, flüsterte er noch. Dann lief ein Zucken durch seinen Körper. Er war tot.
***
Es mochte etwa 22 Uhr sein, als unser Dienstwagen vor der Wache in der Kensington Road stoppte.
Zusammen mit Baxter betrat ich die Diensträume. Durch die laufenden Untersuchungen hatte ich den Wachhabenden schon vorher einmal kennengelernt. Ich brauchte mich deswegen nicht erst großartig auszuweisen, sondern erreichte sofort, was ich eigentlich wollte.
»Jetzt hat sich die Beweislücke geschlossen«, erklärte ich Baxter, nachdem ich gründlich das Dienstbuch der Wache studiert hatte. Dann suchte ich noch eine Weile im Telefonbuch und wählte schließlich eine Nummer. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Hörer am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde.
»Hier ist Jerry Cotton, Special Agent des FBI«, meldete ich mich. »Bitte, rufen Sie sofort die Polizeiwache in der Kensington Road an, damit Sie sich davon überzeugen können, daß es sich um ein dringendes Dienstgespräch handelt.«
Ich las meinem Gesprächspartner noch laut die Nummer vor, die auf dem Polizeiapparat stand, und hängte dann wieder ein. Bereits wenige Augenblicke später wurde zurückgerufen.
»Ja, hier spricht Jerry Cotton«, meldete ich mich wieder. »Sir, bitte, beantworten Sie mir eine Frage wahrheitsgemäß. Sie wird stets unser Dienstgeheimnis bleiben, aber wir brauchen die Antwort dringend zur Klärung eines schweren Verbrechens. Hatten Sie zu irgendeiner Zeit einmal einen schweren Unfall, bei dem Sie eine Kopfverletzung davontrugen?«
Es dauerte eine Weile, bis ich ein verwundertes »Ja« zur Antwort bekam.
»Sind Sie deswegen vielleicht geschockt worden?« fragte ich wieder, und erneut bekam ich ein verwundertes »Ja«.
»Vielen Dank, das wäre eigentlich alles, was ich wissen wollte«, beendete ich das Gespräch.
»Was soll das Ganze?« fragte Baxter in seiner brummigen Art.
Ich grinste ihn an und blickte zur Uhr. »So, wir können jetzt den Fall klären. Einen Haussuchungsbefehl habe ich mir vorsorglich schon besorgt. Ebenso einen Haftbefehl. Es ist jetzt 23.45 Uhr. Wollen Sie Ihre Whiskywette noch erhöhen, Baxter?«
»Auf keinen Fall«, brummte der Lieutenant. Dann verließen wir die Wache. Der Wagen blieb dort stehen. Die wenigen Yard bis zu der großen Mauer, zu der wir wollten, gingen wir zu Fuß.
»Bert Chase ist dort ’rübergestiegen«, erklärte ich dem Lieutenant, als wir vor der Steinwand standen. »Also müssen wir es auch schaffen.«
Ich hatte es mir jedoch leichter vorgestellt, als es in Wirklichkeit war. Erst nach drei Anläufen saßen wir schließlich auf der Mauer…
»Haben Sie schon eine bestimmte Vorstellung, wie diese Kletterpartie weitergehen soll? Schließlich besitzen wir ja einen ordnungsgemäßen Haussuchungsbefehl. Wir können in dieses Haus eindringen, wann wir wollen und wie wir wollen!« knurrte Baxter.
»Richtig«, bestätigte ich ihm. »Aber wir müssen erst Taylor befreien, bevor wir bemerkt werden. Schließlich könnte man ja sonst auf den Gedanken kommen, den Wissenschaftler als Geisel zu benutzen.«
»Okay«, hörte ich Baxter nur noch neben mir schnaufen. Dann sprangen wir in den Hof und gingen zum Haus hinüber. Schnell fanden wir eine Regenrinne, an der wir bis zum zweiten Stock emporklettern konnten.
Baxter war es, der im zweiten Stock ein Flurfenster fand, das nur angelehnt war. Ungehindert konnten wir weiter Vordringen.
Als wir den weichen Teppichboden des Flurs unter unseren Füßen spürten, fragte Baxter: »Wissen Sie denn jetzt wenigstens, in welcher Zelle dieser Taylor sitzt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, wir müssen eben auf diesem Flur in jeden Raum hineinschauen.«
»Haben Sie denn wenigstens eine Klinke dabei?«
»Natürlich«, gab ich zurück. »Schließlich habe ich ja schon den halben Abend damit gerechnet, diesem Haus meine Aufwartung zu machen. Ich gewinne ja auch meinen Whisky dabei.«
Baxter knurrte irgend etwas Unverständliches. Ich schob die Klinke mit der Vierkantöffnung in die nächste Zellentür und öffnete vorsichtig.
Im Schein meiner Taschenlampe
Weitere Kostenlose Bücher