Jerry Cotton - 0552 - Zur Hochzeit eine Leiche
Layton in Panterns Office zum Telefon griff. Er wählte eine Nummer, wartete einen Augenblick und sagte dann: »Sie können jetzt herüberkommen, Mr. Harribert.«
Janos Pantern hockte mit schweißglänzendem Gesicht auf einem alten Holzstuhl. Das Büro seines Restaurants war ein nicht sonderlich großer Raum, in dem sich außer dem alten, von einem Trödler billig erworbenen Schreibtisch, einem wackeligen Aktenregal und ein paar alten Stühlen nichts weiter befand. Layton hatte hinter dem Schreibtisch Platz genommen, der Gorilla wartete wieder mit stumpfsinnig glotzendem Gesicht vor der Tür.
Die drei Frauen wurden von den beiden Schwergewichtlern und dem Kerl im kaffeebraunen Anzug in der Küche bewacht. Man hörte keinen Ton von dort. Janos hatte seine Jacke ausgezogen, und den rechten Ärmel bis an die Schulter hochgezogen und sich die Messerwunde notdürftig mit einem sauberen Handtuch verbunden. Es war blutgetränkt, aber die Blutung schien mittlerweile gestillt zu sein. Nur ein gleichmäßiger, dumpf pochender Schmerz war im Arm zurückgeblieben, spürbar bei jedem Pulsschlag.
Als die letzten Gäste hinaus auf die Straße getrieben waren, hatten die Gangster die Einrichtung seines Lokals zerschlagen. Ohnmächtig hatte Janos Zusehen müssen. Sobald er sich auch nur ein wenig bewegte, machten sie ihm klar, daß sie die Frauen für sein Eingreifen büßen lassen würden. Tränen der Wut und der Scham hatten in seinen Augen gestanden, als er sah, wie sie seine in neun Jahren harter Arbeit aufgebaute Existenz vernichteten. Minutenlang hatte er darüber sogar den Schmerz in seinem Arm vergessen.
Dann hatten die Gangster die Frauen in die Küche gebracht, die Reklamebeleuchtung draußen ausgeschaltet und waren mit ihm in das Office gegangen.
Janos fühlte sich leer und ausgebrannt. Zehn Jahre seines Lebens waren vertan. Zehn harte, aber hoffnungsvolle Jahre. Alles ausgelöscht, die zahllosen Stunden seiner Arbeit als Schuhputzer, Tellerwäscher, Lastwagenfahrer, Zeitungsverkäufer, Kranführer und Streckenarbeiter bei der U-Bahn. Alles wie nie gewesen. Wenn er zehn Jahre lang faul herumgestreunt wäre, stünde er jetzt nicht viel schlechter da.
Wut, Zorn und maßlose Enttäuschung würgten in seiner Kehle. Das also gab es. Da kamen ein paar Banditen, ein paar hämisch grinsende Gangster, und zerschlugen in einer Stunde, was sich ein zäher, fleißiger Mann in zehn Jahren aufgebaut hatte. Und es sah verdammt danach aus, als könnte man nichts dagegen tun. Sollte er das Leben dreier Frauen gefährden?
Er tastete mit der Linken hinauf zu der Wunde. Das Handtuch War feucht und klebrig von noch nicht völlig geronnenem Blut. Sein Blut. Vor reichlich zehn Jahren war es aus seinem linken Schenkel geflossen, als der selbstgebastelte Molotow-Cocktail zu früh explodiert war. Heute floß es aus seinem Arm. Damals war es für ein großes Ziel geflossen — wofür blutete er heute? Für seine Existenz, für seinen hart errungenen Besitz? O nein. Das bißchen Blut würde ihm seinen Besitz nicht bewahren. Nicht bei diesen Verbrechern.
Janos Pantern ließ den Kopf hängen. Eine unendliche Müdigkeit breitete sich in ihm aus. Es war nicht nur der Blutverlust, der ihn geschwächt hatte. Es waren zehn verlorene Jahre. Er war nicht mehr zwanzig. Er besaß nicht mehr die Energie, um den ganzen Kampf noch einmal von vorn zu beginnen. Er konnte einfach nicht mehr. Er war sechsundvierzig, aber in diesen Minuten fühlte er sich wie siebzig. Wie ein alter, schwacher Mann, der unendlich müde ist, lebensmüde, des Kampfes müde, zu allem zu müde…
Draußen kamen Schritte heran. Die Officetür flog auf. Janos hob kaum den Kopf.
Auf der Schwelle stand Bennett S. Harribert, ungefähr in seinem Alter, aber sonst in jeder Hinsicht das Gegenteil von Janos Pantern. Harribert sah nicht so aus, als hätte er je im Leben hart arbeiten müssen. In seinem grauen, tadellos sitzenden Anzug mit dem blütenweißen Hemd und der kleinen Perle in der dezent gestreiften Krawatte wirkte er wie ein erfolgreicher Makler alten Stils. Die schwarze Dokumentenmappe, die er bei sich trug, rundete diesen Eindruck ab.
Harribert streifte das blutgetränkte Handtuch mit einem flüchtigen Blick. Seine Nase rümpfte sich kaum merklich. Mr. Bennett S. Harribert verabscheute sichtlich unfeine Methoden. Er erschien immer erst, wenn man damit fertig war.
Layton räumte den Platz hinter dem Schreibtisch. Harribert setzte sich in den Stuhl, als habe er seit Jahr und
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