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Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen

Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen

Titel: Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Schreibtisch. »Woran denkst du?« fragte mich Phil.
    Ich erinnerte mich an Cynthias schmachtenden Blick und sagte: »An ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht.«
    »Vorsicht«, spottete Phil. »Die meisten Märchen haben einen grausamen Kern. Einen bösen Zauber, eine gemeine Hexe…«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Das süße kleine Biest hat mich belogen.«
    »Welches süße kleine Biest?« fragte eine sonore Stimme von der Tür her. Ich schwang die Beine vom Schreibtisch und stand auf. Mr. High, unser Chef, war eingetreten. Er hatte die letzten Worte mitgehört.
    »Cynthia Swift«, sagte ich und berichtete ihm, weshalb ich Cynthia Swift für eine Lügnerin hielt. »Ich wette, die Kippe im Badezimmer stammte von dem Kerl, der mich in der Diele auf die Bretter schickte«, schloß ich.
    »Und was beweist das?« fragte Phil. »Eine ganze Menge«, sagte ich. »Cynthias Angaben zufolge ist der Bursche in ihre Wohnung eingedrungen, um sich mit Gewalt einige Informationen über Myrna Collins zu holen. Sein Auftritt war demzufolge recht turbulent — ohne Zigarettenpause.«
    »Wer sagt dir, daß die Kippe nicht schon längere Zeit in dem Ascher lag?« wandte Phil ein.
    »Die Wohnung ist ein Muster an peinlicher Sauberkeit«, erklärte ich. »Cynthia Swift ist genau der Typ, der einen benutzten Ascher schnellstens säubert.« Mr. High zog einen zusammengefalteten Bogen aus seiner Jackettasche. »Sie glauben also an ein abgekartetes Spiel, Jerry?«
    Ich nickte. »Darauf deutete auch die nur angelehnte Apartmenttür hin. Der Hilfeschrei diente nur dem Zweck, mich in das Apartment zu locken. Er war simuliert. Na ja — und die paar Druckstellen an Cynthias Hals waren leicht zu erzeugen.«
    Mr. High entfaltete den Bogen, ohne sich zu meiner Hypothese zu äußern.
    »Weshalb hätte man dich in Cynthia Swifts Wohnung locken sollen?« fragte Phil. »Wo bleibt das Motiv?«
    »Das Ganze bekommt nur dann einen Sinn, wenn Cynthia Swift die Bankräuber kennt und mit ihnen zusammenarbeitet«, gab ich meiner Vermutung Ausdruck. »Ist es nicht möglich, daß sie den Auftrag erhielt, sich an einen G-man heranzumachen, der den Fall bearbeitet? Die Gangster wollen erfahren, wie die Untersuchungen laufen. Cynthia besitzt zweifelsohne das Talent, Männerherzen garzukochen. Diese Begabung versucht die Bande, in ihren Dienst zu stellen.«
    Mr. High legte den beschriebenen Bogen vor mich hin. »Der Laborberieht«, sagte er. »Die chemische Analyse des Betäubungsmittels. Es ist ein Wunder, daß nur zwei Opfer zu beklagen sind!«
    Ich überflog die Formel und meinte: »Offenbar selbstgemixt. Vielleicht hilft uns das weiter.«
    »Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren«, meinte Mr. High. »Die Unterwelt wird versuchen, uns zuvorzukommen und den Bankräubern die Beute abzujagen.«
    »Ein Wettlauf um acht Millionen Dollar«, sagte Phil grimmig. »Und du bist sicher, daß diese Cynthia mitläuft?«
    »Ziemlich sicher«, sagte ich. »Sie hat genau die richtige Figur dafür… langbeinig und schmalhüftig. Sie glaubt, schon einen entscheidenden Vorsprung gewonnen zu haben. Mal sehen, ob ich ihn heute abend wettmachen kann!«
    ***
    Ich wartete, bis es dunkel war.
    Ehe ich das Apartmenthaus betrat, sah ich mich im Hof um. Ich musterte die Hausfassade. Das bedeutete nicht viel. In den warmen Sommernächten schlafen viele New Yorker im Freien; sie versuchen es wenigstens. In Cynthias Wohnung brannte Licht. Die Plattform vor dem Apartment war leer. Ich ging wieder nach vorn, zur Straße.
    Schräg gegenüber, auf der anderen Fahrbahnseite, parkte ein 67er Chevy. Ich konnte das Gesicht des Mannes, der am Steuer saß, nicht erkennen. Er hatte den Hut tief in die Stirn gezogen und las in einer Zeitung. Das heißt, er hätte sie lesen können, wenn die nächste Straßenlaterne nicht zu weit von ihm entfernt gewesen wäre.
    Es hatte keinen Sinn, ihm das vorzuhalten. Er würde behaupten, gute Augen zu haben. Oder er würde sich schlafend stellen. Ganz bestimmt aber würde er mir klarmachen, daß er ein freier Bürger eines freien Landes sei und, verdammt noch einmal, mit der Zeitung machen könnte, wozu er gerade Lust hätte. Ich begnügte mich damit, mir seine Wagennummer einzuprägen, und beschloß, später noch einmal nach ihm zu sehen.
    Ich betrat das Haus und fuhr mit dem Lift nach oben. Eine Etage vor meinem Ziel stieg ich aus. Ich überzeügte mich davon, daß das Siegel an Myrna Collins’ Apartmenttür unverletzt war.
    Plötzlich hörte ich einen Laut.

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