Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe
daran«, sagte ich gelassen. »Ich muß Ihnen gestehen, daß Sie die Hereingelegte sind. Ehe ich Ihnen die Pistole übergab, entfernte ich rasch das Magazin.«
Vicky tat genau das, was ich erwartet hatte. Sie starrte die Pistole an, als könnte sie sich mit einem raschen Blick überzeugen, ob ich die Wahrheit sagte. Da sie gleichzeitig vor mir zurückwich, geriet sie prompt über den langen Mantel ins Stolpern.
Ich hechtete auf sie zu und entriß ihr die Waffe. Dabei löste sich ein Schuß, der glücklicherweise nur die Zimmerdecke traf. Ein dünner weißer Kalkregen ging auf uns nieder.
Vicky prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Sie atmete heftig und mit offenem Mund. Tiefe Röte schoß ihr in die Wangen. Sie funkelte mich wütend an und rief: »Sie sind ja schlimmer als der ausgekochteste Gangster!«
Ich trat an das Telefon, ohne Vicky aus den Augen zu lassen. Langsam wählte ich die Nummer meiner Dienststelle.
»Manchmal muß das sein«, informierte ich sie. »Wie sollte ich sonst mit Gangstern fertig werden?«
***
Es dauerte eine halbe Stunde, ehe der Sheriff mit seinen beiden Assistenten und einem Arzt eintraf. Dann kreuzte ein mit vier Mann besetzter Wagen der Landespolizei auf, und schließlich erschienen auch Phil und Steve Dillaggio.
Der Arzt kümmerte sich um Vickys Schulterwunde. »Es ist nur ein Streifschuß«, informierte er uns nach der Behandlung. »Die junge Dame muß deshalb nicht einmal ins Krankenhaus. Ich habe die Wunde mit Jod ausgepinselt und verbunden. Wenn alles planmäßig verläuft, gibt es mit der Heilung keine Komplikationen. Aber wie sieht denn Ihr Fuß aus, junger Mann?«
»Das sind nur ein paar Kratzer«, winkte ich ab.
Der Arzt bestand darauf, sich die Verletzungen anzusehen und beglückte mich mit der gleichen Behandlung wie Vicky.
Phil und ich durchsuchten das Haus und entdeckten nicht nur ein großes Waffenarsenal, sondern auch, was weitaus wichtiger war, eine Reihe von Papieren, Aufstellungen und Unterlagen, die Finnegans Rolle im Untergrundmagazin-Markt bloßstellten.
Ganz offenbar hatte Finnegan geglaubt, daß es niemals jemand einfallen würde, sein einsam gelegenes Landhaus nach Dokumenten zu durchwühlen.
Übrigens gab es tatsächlich eine teuflische Stromverbindung mit dem Swimming-pool. Wir nahmen uns vor, unter anderem zu prüfen, ob von dieser mörderischen Falle schon einmal Gebrauch gemacht worden war.
Die ersten Kurzverhöre der Gangster erbrachten erwartungsgemäß nicht viel. Die Burschen waren nicht bereit, über sich oder gegen ihren Boß auszusagen. Es störte sie nicht im mindesten, daß sie sich widersprachen. Wir kannten diese Trotzhaltung und wußten, daß wir sie in zähen Rededuellen Stück für Stück niederreißen mußten.
Aber das hatte Zeit. Jetzt stand erst einmal die Verhaftung des Mannes zur Debatte, den die Unterwelt als Lord John kannte, bewunderte und fürchtete.
Nachmittags um fünfzehn Uhr zehn kreuzten Phil und ich in Finnegans Stadtwohnung auf. Einer seiner Männer empfing uns.
Phil nahm ihn zur Seite und sorgte dafür, daß er seinen Mund nicht aufriß.
Ich öffnete die Tür zum Wohnzimmer und blieb auf der Schwelle stehen.
Finnegan wandte mir den Kopf zu. Er ruhte mit eingeseiftem Gesicht in der Waagerechten, getragen von einem Klappsessel. Neben ihm stand ein kleiner dunkelhaariger Friseur und betupfte mit geschickten Fingern Finnegans Gesicht.
»Wer ist da?« fragte Finnegan ungehalten.
Der Friseur stellte seine Tätigkeit ein und starrte mich wortlos an.
Finnegan spürte, daß etwas nicht stimmte. Er richtete den Oberkörper auf und schwang sich mit dem Sessel herum. Als er mich sah, traten seine Augen wie Porzellankugeln aus ihren Höhlungen. Der blütenweiße Umhang, den er trug, glitt lautlos herab.
»Cotton!« ächzte er. Seine Blicke huschten hilflos durch den Raum. Er war außerstande, mehr zu sagen.
Ich ging auf ihn zu und zog den Haftbefehl aus der Tasche.
»Packen Sie ruhig ein«, bat ich den Friseur und wies auf Finnegan. »Der wird von uns rasiert!«
ENDE
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