Jerry Cotton - 2905 - Ein Steckbrief fur den Tod
Er hat in einer Mülltonne eine großkalibrige Pistole gefunden, die vor kurzem abgefeuert worden sein muss. Es ist eine Ruger Kaliber .45. Damit haben wir jetzt vermutlich die Tatwaffe.«
***
Ein Gegenstand ist oftmals ein verlässlicherer Hinweis als die Worte eines Augenzeugen. Oft hatten wir schon erlebt, dass verschiedene Menschen ein und denselben Täter völlig unterschiedlich beschreiben. Zeugen können außerdem beeinflusst werden und sogar vor Gericht einen Meineid schwören. Doch Dinge sind neutral und deshalb besonders glaubwürdig.
Die SRD-Leute hatten die tödlichen Projektile sichergestellt und die Streifencops eine Schusswaffe gefunden. Und wenn die Patronen aus dieser Waffe abgefeuert worden waren, dann konnten wir das mit kriminaltechnischen Mitteln zweifelsfrei beweisen. Daran würde auch ein ausgekochter Strafverteidiger nicht rütteln können.
Phil stieß langsam die Luft aus den Lungen. Seine Genugtuung war ihm deutlich anzumerken.
»Mit etwas Glück hat der Killer auch noch seine Fingerabdrücke auf dem Schießeisen hinterlassen. Und die Abdrücke von Roy Jordan haben wir garantiert im System, wenn er bereits erkennungsdienstlich durch die Mühle gedreht wurde.«
Das wussten unsere Kollegen natürlich auch. Malcolm Russell veranlasste, dass der uniformierte Cop die sichergestellte Waffe sofort ins SRD-Labor schaffte. Dann würde die Untersuchung schon die Wahrheit ans Licht bringen.
Diese Anfangserfolge gaben uns zusätzlichen Auftrieb. Während der Doc und die Kriminaltechniker ihre Arbeit fortsetzten, stiegen Phil und ich hoch ins erste Stockwerk. Malcolm Russell hatte uns noch mitgeteilt, dass Isabel Ortega in Apartment 100 C wohnte.
Ich klopfte mit der Faust gegen die Tür.
»Miss Ortega? Hier ist das FBI. Öffnen Sie bitte.«
Es dauerte nicht lange, bis die Tür nach innen aufschwang. Eine Frau von Anfang zwanzig mit langem brünettem Haar schaute mir direkt ins Gesicht, während sie mit offenem Mund Kaugummi kaute. Sie war nur mit Slip, BH und einem mehr oder weniger durchsichtigen rosa Unterrock bekleidet. Ich musste an Amy Stewarts Bemerkung denken, dass diese Frau vermutlich nicht besonders clever war.
»Was ist denn noch? Ich habe doch den anderen Bullen schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Das wird sich zeigen«, sagte ich und stellte Phil und mich offiziell vor. »Wir müssen von Ihnen noch einige Fragen beantwortet bekommen, Miss Ortega.«
»Meinetwegen, dann kommen Sie eben rein. Ich habe im Augenblick sowieso nichts zu tun.«
Isabel Ortega machte weder einen aggressiven noch einen verängstigten Eindruck. Sie wirkte eher desinteressiert. Ob sie unter Drogeneinfluss stand? Darüber war ich mir nicht im Klaren. Aber so etwas merkt man im Lauf der Befragung dem Verdächtigen meistens an.
Das Apartment der jungen Frau war unaufgeräumt, aber ich hatte in manchen Behausungen schon ein größeres Chaos gesehen. Uns interessierte vor allem, ob hier auch ein Mann wohnte. Aber schon ein erster flüchtiger Rundblick reichte, um diese Annahme Gewissheit werden zu lassen.
Über einer Sessellehne lag eine Männer-Jeans, die der zierlichen Isabel Ortega viel zu groß gewesen wäre. Außerdem stand die Badezimmertür halb offen. Der Rasierpinsel und die Rasierschaumdose auf der Ablage waren nicht zu übersehen.
Isabel Ortega behauptete, einen Teilzeitjob als Kassiererin bei einer Burger-Kette zu haben. Diese Angaben würden wir natürlich überprüfen. Ich konnte mir auch vorstellen, dass sie zumindest zeitweise der Prostitution nachging, was in New York verboten ist. Ob Roy Jordan auch ihr Zuhälter war?
Die Cops hatten das Apartment ja schon durchsucht, also konnte sich der Mordverdächtige hier nicht mehr verstecken. Dennoch fragte ich: »Vermissen Sie Ihren Lebensgefährten gar nicht, Miss Ortega?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Mike wollte runter zum Supermarkt und ein paar Softdrinks kaufen. Er müsste bald zurück sein.«
Ich hakte nach.
»Mike, das ist also sein Vorname. Und wie lautet sein Nachname?«
»Keine Ahnung.«
»Seit wann lebt denn dieser Mike bei Ihnen?«
»Ich habe den Tag nicht rot im Kalender angestrichen, Agent Cotton. Aber ein paar Wochen werden es wohl sein.«
»Sie sind also mit einem Mann zusammen, dessen Nachnamen Sie nicht einmal kennen?«
»Richtig. Ist das verboten?«
Falls Isabel Ortega eine Antwort auf ihre Frage erwartete, blieb ich sie ihr schuldig. Auch Phil schüttelte nur stumm den Kopf. Mein Freund hatte sich gewiss auch
Weitere Kostenlose Bücher