Jerry Cotton - 2914 - Der Geruch der Angst
die Schwester der Intensivstation mit. Ich ärgerte mich darüber, dass man uns das nicht mitgeteilt hatte. Andererseits bedeutete das auch, dass Mr Kim keine permanente medizinische Überwachung mehr benötigte.
Und er war wach, als wir sein Zimmer betraten. »Hallo, Mister Kim«, begrüßten wir ihn. Wir waren allein mit ihm im Zimmer. »Schön, dass es Ihnen besser geht.«
Wir traten an sein Bett und stellten ihm unsere Fragen. »Warum wurde Ihnen die Niere entfernt?«
»Wo wurden Sie operiert?«
»Warum hat man Sie so früh entlassen?«
Diesmal verstand Mr Kim uns, aber egal was wir fragten, er hatte eine neue Ausrede: »Kann mich nicht erinnern«, antwortete er immer wieder. »Kann mich nicht erinnern, wo ich operiert wurde.« Fast schon trotzig zuckte er mit den Schultern.
»Das ist doch Unfug.« Ich musste mich beherrschen, nicht laut zu werden. »Mister Kim«, wandte ich mich eindringlich an ihn, »bitte lassen Sie das Theater. Wir waren bei Ihrer Frau. Sie hat ganz offensichtlich Angst. Vor Ihrem Haus lungern seltsame Typen herum. Ich an Ihrer Stelle würde mit uns reden. Dann können wir Sie auch beschützen.«
»Was ist mit meiner Familie?«, fragte er in nahezu akzentfreiem Englisch. Aus seinem Trotz war nackte Angst geworden.
»Ihrer Familie geht es gut. Aber genau wie Sie scheint sie große Angst zu haben. Warum?«
Er kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
»Wenn Sie wollen, kümmern wir uns um Ihre Frau und Ihre Tochter. Aber wir können sie nur schützen, wenn wir wissen, wovor wir sie beschützen sollen.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Dr. Slotnick betrat den Raum. »Ach, die beiden Agents«, begrüßte er uns. Seine Augen blickten ärgerlich. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass wir bei Mr Kim waren und ihn schon wieder aufregten.
»Ich will zu meiner Familie.« Energisch schlug Mr Kim die Bettdecke weg.
Dr. Slotnick stellte sich vor seinen Patienten. »Ich kann Sie nicht entlassen, Mister Kim. Das geht nicht. Sie müssen noch mindestens eine Woche hier bleiben.«
Das Gesicht vor Schmerzen verzerrt, hob Mr Kim die Beine aus dem Bett. Slotnick versuchte, ihn aufzuhalten. »Mister Kim, Sie müssen sich schonen.«
Doch Kim ignorierte ihn. Er stieß den Doktor unsanft zur Seite. Der donnerte an den Beistelltisch und dieser knallte gegen die Wand. Angelockt durch den Krach und die herunterstürzenden Gegenstände, schaute eine Schwester herein. »Kann ich helfen?«, fragte sie besorgt.
Slotnick trat zwei Schritte nach hinten und griff nach einer Spritze. Wir traten an das Bett, wollten Mr Kim vor sich selbst schützen und Slotnick dabei helfen, den Mann zu beruhigen. Mit einer unerwartet schnellen Bewegung griff sich Kim eine Spritze und richtete sie wie ein Messer gegen uns.
Alle zogen scharf die Luft ein. Phils Hand glitt an seine Seite. Instinktiv wollte er seine Waffe ziehen, doch ich bedeutete ihm mit einem Blick, dies nicht zu tun.
»Kommen Sie mir nicht zu nahe mit Ihrer Spritze«, rief Kim aufgebracht. »Ich fahre nach Hause und Sie werden mich nicht davon abhalten.«
»Mister Kim, bitte beruhigen Sie sich«, sagte Dr. Slotnick sanft. »Sie können das Krankenhaus in diesem Zustand auf keinen Fall verlassen.«
Kim stand da, wusste nicht, wie weiter. Unter seinem weißen Krankenhauskittel sah ich blasse Haut. Seine Beine zitterten genauso stark wie seine Stimme. »Aus dem Weg«, zischte er.
»Ich verstehe Sie.« Ich hob die Hände, als er die Spritze auf mich richtete. »Das wird nicht nötig sein.« Ich zeigte auf die Spritze. »Sie machen sich große Sorgen um Ihre Familie. Aber Sie sind zu schwach, um irgendetwas für sie tun zu können. In diesem Zustand können Sie Ihre Familie nicht beschützen.«
»Meine Familie befindet sich in Gefahr.«
Ich nickte und tat einen Schritt nach vorn. »Wie gesagt, wir können Ihre Familie beschützen. Erzählen Sie uns nur, wovor.« Ich tat noch einen Schritt nach vorn. »Folgender Vorschlag: Wir bringen Ihre Familie hierher ins Krankenhaus.«
»Familie herbringen?« Kim überlegte. Sein Drang nach Hause zu gehen war mit Sicherheit groß. Wer lag schon gern in einem Krankenhaus? Andererseits wusste er, dass er bleiben musste, bis die Narbe ordentlich verheilt war. Und was es hieß, nicht medizinisch versorgt zu werden, hatte er bereits am eigenen Leibe erfahren.
Er fasste einen Entschluss und ließ die Spritze sinken. »In Ordnung«, sagte er. Ich sah ihm die Erleichterung an.
»Bringen Sie meine Frau
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