Jerry Cotton - 2916 - Das Marlin-Projekt
seine Rechte auf mich zukommen. Ich tauchte rechtzeitig ab und nutzte meinen Schwung, um ihm einen Aufwärtshaken unters Kinn zu knallen. Ich konnte förmlich hören, wie einer seiner Zähne abbrach.
Die Schrecksekunde nutzend, schickte ich einen ordentlichen Leberhaken hinterher und schoss eine rechte Gerade ab. Getroffen stöhnte der Maskierte auf, taumelte auch kurz, stand dann aber schon wieder kerzengerade und ging zum Gegenangriff über.
Aufgerichtet war er sicher einen halben Kopf größer als ich, sah ansonsten aber gar nicht wie eine Kampfmaschine aus. Er handelte aber wie eine. Er hatte das Kämpfen irgendwo gelernt, und zwar gründlich.
Klatschende Geräusche hinter mir verrieten, dass Phil gerade das Gesicht seines Gegners bearbeitete, denn jemand fluchte mit Schmerzen in der Stimme, und das war nicht Phil.
Ich duckte mich und hielt die geballten Fäuste zum Schutz vor mein Gesicht und sah dabei aus wie ein Boxer im Ring. Für den Bruchteil einer Sekunde spielte ich mit dem Gedanken, meine SIG aus dem Schulterhalfter zu ziehen, doch ich verwarf die Idee wieder. Denn mein Gegenüber hätte im gleichen Moment freie Fahrt für ein paar Kopftreffer gehabt.
»Schluss jetzt«, hörte ich eine scharfe Stimme hinter mir. Der Befehlston klang routiniert. Ich drehte mich um. Überrascht sah ich, dass Phil mit erhobenen Händen da stand, einen Meter von seinem Gegner, der ebenfalls maskiert war, entfernt. Noch überraschter war ich, als ich den jungen Mann erkannte, der uns eben erst vor dem Aufzug begegnet war. Er hielt jetzt einen schweren Revolver in der Hand und richtete den Lauf auf uns.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen«, sagte er mit erstaunlich jugendlicher Stimme, »wir werden jetzt hier geordnet abmarschieren, und Sie werden uns nicht verfolgen. Wenn wir uns darauf einigen können, ist unsere Begegnung hiermit erledigt. Haben Sie Einwände?« Es klang weniger wie eine Frage denn wie eine Feststellung.
Die Situation war eindeutig, die rätselhaften Fremden hatten einfach die besseren Karten, und da sie es offensichtlich nicht auf unser Leben abgesehen hatten, stimmte ich zu. »Keine Einwände, Sie können abrücken, Sir«, äffte ich seinen Befehlston nach, während ich mit dem Handrücken versuchte, die Blutung der Wunde auf der Stirn zu stoppen.
»Noch eine Minute, und ich hätte dich gehabt«, fauchte Phil seinem Gegner zu, der so tat, als hätte er das nicht gehört.
Rückwärts schob sich der Mann mit dem braunen Anzug und der hohen Stirn zur Tür hinaus, den Lauf dabei abwechselnd auf mich und auf Phil gerichtet.
Als das merkwürdige Trio verschwunden war, griff Phil gleich nach seiner SIG und wollte ihnen hinterher, doch ich hielt ihn zurück.
»Lass das, Partner!« Er sah mich fragend an, doch ich winkte nur ab. »Das waren mit großer Sicherheit Jungs, die auf unserer Seite mitspielen.«
Phil ließ die Waffe wieder sinken, zuckte resigniert mit den Schultern und schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. »Jerry, weißt du was? Dann hätten wir sie mal fragen sollen, was Cercyon ist.«
***
Natürlich mussten wir Mr High über den Vorfall informieren, nicht zuletzt darüber, dass wir Cassia Haigh nicht hatten finden können, und der beorderte uns tatsächlich postwendend zurück ins Büro. Dafür schickte er eine Crime Scene Unit in die Wohnung, um dort nach Spuren unserer seltsamen Kollegen – wenn es denn welche waren – suchen zu lassen. Die Fahrt zurück ins Büro nutzte ich zu einem Telefonat mit Todd Silver.
Ich hatte Todd erst kürzlich auf der Geburtstagsfeier meiner Kollegin Ruby O’Hara kennengelernt und mich länger mit ihm unterhalten. Er schien mir ein netter Kerl zu sein – und vor allem war er Chefreporter beim renommierten Wirtschaftsmagazin Economy Tomorrow .
Da er angeboten hatte, dass ich mich bei fachlichen Fragen gern an ihn wenden könnte, fischte ich seine Visitenkarte hervor und wählte seine Nummer. Ohne lange Smalltalk zu halten, fragte ich gleich, ob er schon einmal etwas von einer Fundex -Stiftung gehört habe. Er verneinte, versprach aber, sich mal umzuhören in den entsprechenden Kreisen.
Auch Phil hatte derweil telefoniert. »Morgen früh haben wir beide einen Termin«, sagte er und machte dabei ein wichtiges Gesicht. »Schon wieder ein Doktor«, fügte er mit verschwörerischer Stimme hinzu. »Dr. Peter Lewis hat um neun Uhr Zeit für uns …«
»Sehr gut«, entgegnete ich, »und wer ist das?«
»Jerry! Na hör mal! Das ist der
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