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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Rothschild verschwägerter und nicht sonderlich religiöser englischer Selfmademan und Finanzier mit italienischen Wurzeln. Die Reise nach Jerusalem veränderte sein Leben. Er reiste als strenggläubiger Jude ab, nachdem er in der letzten Nacht, die er in der Stadt weilte, bis zum Morgen gebetet hatte. Jerusalem war für ihn einfach »die Stadt unserer Vorväter, das große und lang ersehnte Objekt unserer Wünsche und unseres Strebens«. Er hielt es für die Pflicht eines jeden Juden, einmal im Leben die Pilgerreise zu machen: »Demütig bete ich zum Gott meiner Vorväter, dass ich fürderhin ein rechtschaffenerer und besserer Mensch und ein besserer Jude sein werde.« [188] Er kehrte noch viele Male nach Jerusalem zurück und bemühte sich von dieser Zeit an, das Leben eines englischen Unternehmers mit dem eines orthodoxen Juden zu vereinbaren. [144]
    Kaum waren die Montefiores abgereist, hielt ein byronesker Herr, wie Montefiore ein sephardischer Jude mit italienischen Wurzeln, in der Stadt Einzug. Noch wussten die beiden nichts voneinander – aber eines Tages sollten sie die kolonialistischen Ambitionen der Briten im Nahen Osten vorantreiben.
    Disraeli: Das Heiligtum und der Romantiker
    »Du solltest mich in meinem Kostüm eines griechischen Piraten sehen. Ein blutrotes Hemd mit silbernen Knöpfen so groß wie Schillinge, ein riesiges Halstuch, der Gürtel von Pistolen und Dolchen starrend, eine rote Mütze, rote Schuhe, blau-weiß gestreifte Jacke und Mütze. Unglaublich verrucht!« So kleidete sich Benjamin Disraeli, der angesagte 26-jährige Schriftsteller ( The Young Duke war bereits erschienen), glücklose Spekulant und angehende Politiker auf seiner Reise in den Orient. Solche Ausflüge waren die Kavaliersreisen des 18. Jahrhunderts, zu denen romantisches Posieren, die Besichtigung klassischer Sehenswürdigkeiten, das Rauchen von Wasserpfeifen, eifriges Herumhuren und Stippvisiten nach Istanbul und Jerusalem gehörten.
    Disraeli war als Kind jüdisch erzogen, aber schon mit 13 Jahren anglikanisch getauft worden. Er betrachtete sich selbst, wie er Königin Victoria später verraten sollte, »als das unbeschriebene Blatt zwischen dem Alten und dem Neuen Testament«. Und die Rolle stand ihm gut zu Gesicht. Schlank und hellhäutig, einen Schopf schwarzgelockter Haare auf dem Kopf, ritt er »gut zu Pferde und gut bewaffnet« durch das judäische Bergland. Als er die Stadtmauern erblickte,
war ich wie vom Donner gerührt. Vor mir lag eine offensichtlich großartige Stadt. Im Vordergrund steht die prachtvolle Moschee, die auf dem Grund des Tempels mit seinen herrlichen Gärten und beeindruckenden Toren errichtet wurde – Kuppeln und Türme verschiedenster Form erheben sich. Man kann sich nichts Wilderes und Schrecklicheres und Kargeres vorstellen als die landschaftliche Kulisse der Umgebung. Nie habe ich etwas so zutiefst Beeindruckendes gesehen.
    Während Disraeli beim Abendessen auf dem Dach des armenischen Klosters saß, in dem er Quartier bezogen hatte, genoss er den Ausblick auf die »verlorene Hauptstadt Jehovas« und war zugleich vom islamischen Heiligtum fasziniert: Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, dem Tempelberg einen Besuch abzustatten. Einem schottischen Arzt und einer Engländerin war es zuvor gelungen, sich unerkannt auf die Esplanade zu stehlen – allerdings in Verkleidung. Disraeli hatte weniger Glück: »Ich wurde entdeckt, und eine Menge aufgebrachter Turbanträger umringten mich, so dass ich nur mit Mühe entkommen konnte!« Disraeli sah Juden und Araber als ein Volk an – für ihn waren die Araber »Juden zu Pferde«, und er stellte den Christen die Frage: »Wo ist euer Christentum, wenn ihr nicht an das Judentum glaubt?«
    Während seines Aufenthalts in Jerusalem fing Disraeli an, einen neuen Roman zu schreiben, Die Wundersage von Alroy , die Geschichte des unglücklichen »Messias«, dessen Auftreten im 12. Jahrhundert er als »umwerfendes Ereignis in den Annalen des geheiligten und romantischen Volkes, dem ich meine Herkunft und meinen Namen verdanke« bezeichnete.
    Die Reise nach Jerusalem bekräftigte den Ruf des aristokratischen Torys und jüdischen Wichtigtuers [189] als arrogantem Exzentriker, bestärkte ihn in der Überzeugung, dass Großbritannien im Nahen Osten eine Aufgabe hatte, und ließ ihn von einer Rückkehr nach Zion träumen. In seinem Roman lässt er David Alroys Berater sagen: »Ihr fragt mich, wonach mich verlangt. Meine Antwort lautet: Nach einer nationalen

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