Equilibrium
Prolog
E rika Sen richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Gruppe in der Ecke. Es waren weder die fröhlichen, angeregten Stimmen, die sie angezogen hatten, noch war es die Faszination über ihr beeindruckendes Aussehen. Eigentlich lenkten diese Dinge nur ab. Erica schloss die Augen und hielt sich die Ohren zu, um den Lärm des Restaurants auszublenden. Jetzt konnte sie es spüren . Sie konnte die tiefe Liebe spüren, die von dem Tisch in der Ecke ausstrahlte. So mächtig, dass sie spürte, wie ihr Körper glühte. Sie fühlte sich, als ob ihr Geist in einer Wolke schwebte. Sie spürte völlige Ruhe. Sie war im Equilibrium.
»Erica, wir sollten gehen. Die Ältesten erwarten uns.«
Sie sah in die grauen, gelassenen Augen von Grayson Weeks und runzelte die Stirn. Sie hatte ein Gefühl von drohendem Unheil.
»Erica, teile deine Gedanken mit mir«, flüsterte Grayson. Er streckte langsam seinen rechten Arm über den Tisch und hielt seinen Daumen hoch. Erica reckte sich hinüber, berührte ihn sanft mit ihrem eigenen Daumen und schloss wieder die Augen. Sie ließ ihre Gedanken zu Grayson fließen. Es tat gut, sie loszulassen und mit ihrem besten Freund zu teilen.
Ericas erste Sorge galt ihrer Tochter, Simla. Sie musste um jeden Preis beschützt werden. Erica hatte akzeptiert, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte, als sie sich in einen Nicht-Wanderer verliebt hatte. Der Ehrgeiz ihres Mannes Raj hatte ihre aller Leben aus den Fugen gebracht und ihre Existenzen voller Liebe und Ruhe in einen Tumult verwandelt. Dennoch, ihre Verbindung hatte Simla hervorgebracht. Erica liebte ihre Tochter bedingungslos, obwohl sie eine Herausforderung sein konnte. Sie musste einen Weg finden, um Simla vor jeglicher negativer Energie zu schützen, oder es würde sie vernichten, es würde sie beide vernichten.
Niemand verstand das besser als Grayson. Auch er hatte einen Nicht-Wanderer geheiratet und ein Kind bekommen, Justin. Unglücklicherweise war seine Frau gestorben und hatte Justin mit einem Gefühl der Verlassenheit zurückgelassen, das er nie verarbeitet hatte, besonders weil er gezwungen war, mit seinem Vater zu wandern.
Ericas neuestes Projekt war Olivia, die sie damit überrascht hatte, erfolgreich ein Portal zu konstruieren, mit dem man durch Zeit und Dimension reisen konnte. Der Bau des Portals hatte für Erica bedeutet, dass sie ihre Familie aus dem Leben in Princeton reißen und mit ihnen nach Mountain View ziehen musste, damit sie näher bei Olivia war. Die Existenz des Portals hatte Simlas Leben völlig durcheinander gebracht. Sie war jahrelang hin- und hertransportiert worden, damit Erica Olivias Veränderungen lückenlos beobachten konnte.
Jetzt war es Zeit, sich den Konsequenzen zu stellen.
»Gehen wir, Grayson.«
I ch sah auf den Puck und stellte mir vor, dass es der Kopf meiner Mutter war. Ich wusste, dass das falsch war, aber ich war stinksauer. Ich packte meinen Schläger fester, hob ihn hoch und hieb den Puck mit einer fließend harten Bewegung ins Tor. Auf den nächsten Puck musste ich nicht lange warten, er kam fast sofort. Mit der gleichen gnadenlosen Präzision wie vorher, ballerte ich ihn ins Ziel. Der nächste Puck glitt auf mich zu und ich hämmerte ihn rein; wiederholte das Ritual immer wieder, bis ich meine Schultern kaum noch spüren konnte. Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich war nicht sicher, ob es vom Schmerz in meinen Armen kam oder von dem, was früher am Abend passiert war. Ich sah zu Kellan, der mir die Pucks zugepasst hatte. Ich hob meine Hand, damit er wusste, dass er weitermachen sollte. Mein körperlicher Schmerz war immer noch nicht stark genug, um den Gefühlsaufruhr zu überdecken, der in mir tobte. Ich machte immer weiter.
Nach Stunden lagen Kellan und ich an unserem Lieblingsplatz am See und beobachteten die Sterne. Es war klar und dunkel mit nur wenig Mondschein, perfekt zum Sternegucken. Es war ein bisschen kühl, darum hatten wir Decken mitgebracht und uns auf dem Weg heiße Schokolade geholt. Ich legte mich in Kellans ausgestreckten Arm, kuschelte mich unter der warmen, blauen Flanelldecke an ihn und grübelte über unseren Tag nach.
Er war auf jeden Fall ereignisreich gewesen und ich versuchte immer noch herauszufinden, ob ich mich richtig entschieden hatte. Kaum vorzustellen, dass ich das nicht hatte, weil ich mich, wo ich gerade lag, so zu Hause fühlte: in Kellans Armen. Ich sah ihn an. Er war einfach perfekt. Seine tollen haselnussbraunen Augen passten total zu seiner
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