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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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orientiert sich die Schreibweise von Namen und Orten in der biblischen Epoche an der Lutherübersetzung der Bibel in der Fassung von 1984. Bei bekannten Persönlichkeiten und Orten richtet sich die Schreibung weitgehend nach dem Duden (24. Auflage). Für die moderne Zeit übernimmt die deutsche Fassung weitgehend die internationale (englische) Transliteration. (Anmerkung d. Übers.)]

Prolog
    Am 8. Tag des jüdischen Monats Ab, also Ende Juli des Jahres 70 n.Chr., befahl Titus, der Sohn des römischen Kaisers Vespasian und Feldherr über die viermonatige Belagerung Jerusalems, seinem gesamten Heer, die Erstürmung des Tempels im Morgengrauen vorzubereiten. Zufällig jährte sich am folgenden Tag die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier, die mehr als 500 Jahre zurücklag. Titus befehligte vier Legionen mit insgesamt 60 000 römischen Legionären und heimischen Hilfstruppen, die darauf brannten, der trotzenden, aber gebrochenen Stadt den letzten Stoß zu versetzen. Innerhalb der Stadtmauern lebte etwa eine halbe Million hungernder Juden unter verheerenden Bedingungen: Manche waren fanatische Eiferer, andere Freibeuter und Banditen, aber bei den meisten handelte es sich um harmlose Familien, die dieser Todesfalle nicht entkommen konnten. Da viele Juden außerhalb von Judäa lebten – sie waren im gesamten Mittelmeerraum und Nahen Osten zu finden –, sollte dieser letzte verzweifelte Kampf nicht nur über das Schicksal der Stadt und ihrer Einwohner entscheiden, sondern auch über die Zukunft des Judentums und jenes kleinen jüdischen Kults, des Christentums – und wenn man sechs Jahrhunderte weiter schaut, sogar über die Gestalt des Islam.
    Die Römer hatten Rampen an die Außenmauern des Tempels gebaut. Aber ihre Sturmangriffe waren gescheitert. An diesem Tag erklärte Titus seinen Generälen, der Versuch, diesen »fremden Tempel« zu erhalten, koste ihn zu viele Soldaten, und so befahl er, die Tempeltore in Brand zu setzen. Das Silber der Tore schmolz, das Feuer griff auf die hölzernen Tor- und Fensterrahmen über und breitete sich über die Holzverkleidungen in den Gängen des Tempels aus. Titus befahl, das Feuer zu löschen. Die Römer sollten »ihre Rache nicht an leblosen Dingen statt an Menschen auslassen«, wie er erklärte. Anschließend zog er sich für die Nacht in sein Hauptquartier im halb zerstörten Turm der Burg Antonia zurück, die oberhalb des prachtvollen Tempelkomplexes lag.
    Rund um die Tempelmauern bot sich ein Bild des Grauens, das der Hölle auf Erden geähnelt haben muss. Tausende Leichen verwesten in der Sonne. Es herrschte ein unerträglicher Gestank. Horden von Hunden und Schakalen weideten sich an menschlichem Fleisch. In den vorangegangenen Monaten hatte Titus alle Gefangenen und Überläufer kreuzigen lassen. Tagtäglich hatte man fünfhundert Juden ans Kreuz geschlagen. Auf dem Ölberg und den zerklüfteten Bergen rund um die Stadt standen die Kreuze so dicht, dass es kaum noch Platz für weitere, und schon gar keine Bäume mehr gab, um sie herzustellen. [1] Titus’ Soldaten machten sich einen Spaß daraus, ihre Opfer in grotesken Verrenkungen mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen ans Kreuz zu nageln. Viele Jerusalemer waren so verzweifelt, dass sie unbedingt aus der Stadt entkommen wollten und ihre Reichtümer versteckten, indem sie die Münzen schluckten; sie hofften, dass das Geld wieder zum Vorschein kommen würde, sobald sie sich vor den Römern in Sicherheit gebracht hätten. Vor Hunger »aufgedunsen und wie wassersüchtig« kamen sie heraus, aber sobald sie gierig gegessen hatten, »zerbarsten sie«. Als die Soldaten im übel riechenden Gedärm der geplatzten Bäuche Gold fanden, gingen sie dazu über, alle Gefangenen aufzuschlitzen, bei lebendigem Leib auszuweiden und ihre Eingeweide zu durchsuchen. Entsetzt versuchte Titus, die Plünderung der Körper zu unterbinden. Aber vergebens: Titus’ syrische Hilfstruppen, die den Juden mit dem erbitterten Hass von Nachbarn begegneten und von ihnen ebenso gehasst wurden, schwelgten in diesen Gräueltaten. [2] Die Grausamkeiten der Römer und der Rebellen innerhalb der Stadtmauern sind mit einigen der schlimmsten Gräueltaten des 20. Jahrhunderts vergleichbar.
    Der Krieg war ausgebrochen, als die Unfähigkeit und Gier der römischen Statthalter selbst die judäische Oberschicht, eigentlich Roms jüdische Verbündete, dazu getrieben hatte, sich einem religiösen Volksaufstand anzuschließen. Die Rebellen waren eine

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