Jesus der Kapitalist
vollbringen, wurde der Wahn grenzenlos. Man betete jetzt die selbsternannten Götter der Vernunft an: Robbespierre, Lenin, Stalin, Hitler, Mao, Ho-Chi-Minh, Pol Pot, Kim-Il-Sung, Che Guevara und Konsorten. Und auf ihr Geheiß oder in ihrem Namen rottete man jeden aus, der dem neuen Diesseitsparadies der Vernunft-Religion aufgrund seines »veralteten« Menschseins entgegenstand. Dieser Wahn ist keineswegs zu Ende. In jüngerer Zeit ist er (noch) in weniger martialischen Gewändern unterwegs, aber der Gesinnungsabsolutismus wächst in den politisch korrekten Strömungen wie dem »Europäischen Werte«-Dogmatismus, dem Öko-Fundamentalismus, dem Multikulturalismus, der Gleichstellungsmanie, der Klima-Hysterie und dem Gender- Main-streaming-Delirium (um nur einige zu nennen). In ihrer Gesamtheit deuten die Erscheinungen darauf hin, dass die Menschheit auch jetzt wieder den Weg in den Totalitarismus – zurück ins irdische und vermeintliche Paradies antreten will. Dieses aber, wir lesen es in der Genesis, ist für alle Zeit verschlossen, und vor seinen Toren stehen die Cherubim mit flammendem Schwert.
In seiner Schrift mit dem provokanten Titel Jesus, der Kapitalist zeigt Robert Grözinger in brillanter Weise, dass Religion nicht nur eine unverzichtbare Nützlichkeitsfunktion zur Bewahrung einer Ordnung der Freiheit hat, sondern dass beide, Christentum und Marktwirtschaft, miteinander in geschwisterlich-symbiotischem Verhältnis stehen; anders gesagt: dass sie einander existenziell bedingen und ideal ergänzen. Das sollten Liberale und Libertäre bedenken, die allzu leichtfertig den christlichen Glauben als freiheitsfeindlich abtun, aber das sollten auch jene Theologen bedenken, die mangels hinreichender Kenntnisse die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung des Kapitalismus abschätzig beurteilen. Sie gefährden damit genau die Ideenwelt, für die sie jeweils eintreten. Der geistige Kampf gegen Quasireligionen und politische Religionen – und damit der Streit für die eigenen Überzeugungen – ist für Christen und Marktwirtschaftler nur gemeinsam und nur auf dem Boden des Bewusstseins von der originären Gemeinsamkeit ihrer Lehren zu gewinnen. Robert Grözinger liefert ihnen das geistige Rüstzeug hierzu in Hülle und Fülle.
Roland Baader, Waghäusel 2011
Anmerkungen
1. Stark, Rodney, The Victory of Reason – How Christianity Led to Freedom, Capitalism, and Western Success, New York, Random House 2005, S. 79.
2. Vgl. Wikipedia-Eintrag »Religion«, http://de.wikipedia.org/wiki/Religion.
3. Vgl. ebd., bes. http://de.wikipedia.org/wiki/Religion#Etymologie_und_Begriff.
4. Vgl. Goethe, Johann Wolfgang von, Faust, Teil I, Vers 3415 (Marthens Garten). Reclam 1981, S. 103.
5. Vgl. Wikipedia-Eintrag »James W. Fowler«, http://de.wikipedia.org/wiki/James_W._Fowler.
6. Vgl. Fowler, James W., Stages of Faith, Harper & Row, 1981; Peck, M. Scott, The Different Drum, Arrow Books, London 1990.
7. Wikipedia-Eintrag »M. Scott Peck«, Abschnitt »The four stages of spiritual development«, http://en.wikipedia.org/wiki/M._Scott_Peck#The_Four_Stages _of_Spiritual_Development, 11.5.2012, Hervorhebungen im Original entfernt.
8. Vgl. ebd.
9. Foster, Richard, Celebration of Discipline, Hodder & Stoughton, London 1989, S. 27.
10. Planck, Max, Vorträge und Erinnerungen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 8. Auflage 1965, Darmstadt, S. 333,zit. nach http://de.wikiquote.org/wiki/Max_Planck, abgerufen am 9.7.2012.
11. Barr, Stephen M., /Modern Physics and Ancient Faith/, University of Notre Dame Press, Notre Dame, Indiana, 2006 [2003], S. 28f.
12. http://www.hjcaspar.de/gldateien/glauwizit1.htm, abgerufen am 28.6.2012
13. Siegel, Bernie, Peace, Love & Healing, Rider, London 1990, S. 38.
14. Vgl. Wright, Robert, The Evolution of God, Little, Brown, New York 2009, hier insb. S. 482 f.
15. Marx, Karl/Engels, Friedrich, Das Kommunistische Manifest, http://www.mlwerke.de/me/me04/me04_459.htm, abgerufen am 28.6.2012.
16. »Ackermann ruft Regierungen zur Hilfe – Finanzmärkte fiebern der Fed-Entscheidung entgegen«, in Spiegel Online vom 18.03.2008, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,542074,00.html und »Josef Ackermann glaubt nicht mehr an den Markt«, in Welt Online vom 18.03.2008, http://www.welt.de/wirtschaft/article1812002/Josef_Ackermann_glaubt_nicht_mehr_an_den_Markt.html
17. »Ackermann ruft Regierungen zur Hilfe«, Spiegel Online, a. a. O.
18. Reisman, George, Capitalism, Jameson Books, Ottawa, Illinois 1998, S. 19.
19. Vgl.
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