Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Titel: Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Leyhausen
Vom Netzwerk:
nur, wenn wir jede Ablenkung
     dankbar annehmen, verhindern wir die »gefährliche« Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Denken Sie besser bei der Arbeit an die Freizeit und bei der
     Freizeit an die Arbeit.
    Selbst der kleinste Impuls von außen ist es wert, um daraus Kapital fürs Aufschieben zu schlagen. Wenn Sie zu Hause sind, lockt der Haushalt mit seinen
     unbegrenzten Möglichkeiten. Wichtig ist nur, dass Sie einer sonst zweit- bis drittrangigen Tätigkeit auf einmal die höchste Bedeutung verleihen. Bestimmt
     drängen sich Ihnen schnell solche Gedanken auf: Auf der Lampenschale müsste auch mal geputzt werden … Wann wurden eigentlich die Heizkörper zum letzten
     Mal abgeschrubbt? Der Korb mit den einzelnen Socken wird sich auch nicht von alleine sortieren …
    Besonders dankbar ist es, mit der ersten Ablenkung eine Kettenreaktion auszulösen wie folgender Erlebnisbericht demonstriert:
     
    Der Tag liegt vor mir wie ein unbeschriebenes Blatt. Endlich habe ich Zeit, ein wichtiges Angebot zu schreiben, und ich setze mich
pünktlich morgens um Neun an den Schreibtisch. Ich schalte den Computer an und mein Blick schweift überden
Nachbarschreibtisch. Vielmehr über das, was von ihm übrig geblieben ist. Gestern ist mir beim Möbelrücken im Büro die Glasplatte zerschellt. Für eine
neue Auflage aus Glas wird mein Budget im Moment nicht reichen. Wie wäre es, sich im nahe gelegenen Baumarkt eine günstige Holzplatte zu besorgen? Das
dauert höchstens eine halbe Stunde und mit so einem sanierten Nachbarschreibtisch arbeitet es sich bestimmt viel besser …
    Ich irre durch den riesigen Baumarkt und kann nirgends erkennen, wo die Holzfachabteilung ist. Weil ich Glück habe, findet heute ein Gewinnspiel statt:
    Dritter Preis: Wir verraten Ihnen, wo die Holzfachabteilung ist.
    Zweiter Preis: Ein Gespräch mit einem Holzfachberater.
    Erster Preis: Kein Gespräch mit einem Holzfachberater.
    Ich habe natürlich nur den zweiten Preis gewonnen. Ich bitte den jungen Mann, mir zu verraten, wo ich mir eine neue Schreibtischplatte zusägen
lassen kann. Er erklärt mir, er sei nur die Aushilfe für die Aushilfe und schickt mich zur Information. Dort würde man den Kollegen vom Zuschnitt für
mich ausrufen lassen.
    Ich laufe einen knappen Kilometer zurück zum Eingang. Die Information ist nicht besetzt. Ich warte eine Viertelstunde, denn schließlich ist mir
meine Zeit zu schade, um unverrichteter Dinge nach Hause zu gehen. Der Herr vom Zuschnitt wird ausgerufen, befindet sich aber in der Pause. Nach einer
weiteren Viertelstunde halte ich meine maßgeschneiderte Sperrholzbeute in den Händen. Schneeweiß beschichtet. Aber nicht am Rand. Durch die Kante
grinsen mich die geleimten Sägespäne an. Zum Glück gibt es für solche Fälle ein weißes Band, das man einfach auf die Kante aufbügeln kann. Mittlerweile
ist es 11 Uhr. Wenn ich kurz nach Hause fahre, um das Bügeleisen zu holen, bin ich um 12 Uhr wieder im Büro …
    Zu Hause werfe ich einen Blick in den Briefkasten. EinePostkarte fordert mich zum zweiten Mal auf, den Stand meines Stromzählers
durchzugeben. Das ist schnell gemacht und dann hat man es aus dem Kopf. Wo ist der Kellerschlüssel? Er hing sonst immer am Schlüsselbrett, aber das
Schlüsselbrett hängt nicht mehr. Es hat den Kampf gegen die Schwerkraft verloren. Ich höre vor meinem geistigen Ohr die Anklage meiner Frau: »Das
hättest du längst mal anständig anbringen können.«
    Wenn ich für den Stromzähler sowieso in den Keller muss, kann ich auch die Bohrmaschine mitbringen. Zwei Löcher, zwei Dübel, zwei Schrauben und ich
bin spätestens um 13 Uhr wieder im Büro …
    Unsere Wände sind in den letzten Jahren nicht besser geworden. Aus den zwei Bohrlöchern sind mittlerweile zwölf geworden. Für jeden Apostel
eines. Wenn meine Frau das sieht, brauche ich gar nicht mehr nach Hause zu kommen. Das muss dringend mit Spachtelmasse verschlossen werden. Doch woher
nehmen, wenn nicht borgen?
    Ich klingele bei meinem Nachbarn, einem pensionierten Handwerker. Seine Gattin öffnet und drückt mir angeheitert ein Glas Sekt in die Hand.
    »Das ist aber nett, dass Sie an unsere Goldene Hochzeit gedacht haben.«
    Ehe ich mich versehe, werde ich mit einem Stück goldene Hochzeitstorte Teil der Festgemeinde. Die Jubilare stellen mich allen Gästen vor. Ich stelle
mir das Gesicht meiner Frau vor, wenn Sie an Stelle des Schlüsselbretts eine Wand vorfindet, die aussieht wie ein Schweizer Käse. Nach einer Stunde

Weitere Kostenlose Bücher