Jezebel
sehr auf die Fahrt konzentrierte. Aber ich glaubte Suko, und dann mußte ich bremsen, weil wir schon ziemlich nahe an das Zelt herangekommen waren.
Mit etwas nach links eingeschlagenen Vorderrädern blieb der Rover stehen. Beide hatten wir es eilig, aber Suko war schneller aus dem Wagen als ich. Als ich die Tür zuschlug, da duckte er sich bereits und lief in das Zelt hinein. An den Seiten war es offen, da wurde die Plane von Stangen gehalten, die eigentlich nur als Regenschutz dienten.
Ich hörte Suko fluchen. Er winkte heftig mit der linken Hand. Sekunden danach war ich fast bei ihm, aber ich stoppte noch vor dem Zelt, denn ich hatte mehr gefühlt als gesehen.
Über meinem Kopf und auch über das Zelt hinweg bewegte sich ein Schatten. Sofort trat ich zwei Schritte zurück, um eine bessere Sicht zu haben.
Mit dem zurückgelegten Kopf gelang es mir, den Schatten zu entdecken.
Es war keine Wolke, die der Wind an uns vorbeitrieb. Es war Jezebel, die über uns hinwegflog.
Mir stockte der Atem.
War sie ein Mensch, oder war sie ein Rieseninsekt? Jedenfalls hatte sie dünne Flügel, vergleichbar mit denen einer Libelle, nur eben viel größer.
Mit einer Kugel hätte ich auf diese Entfernung nichts mehr bewirken können. Jetzt wußte ich auch, warum sie uns an der Leichenhalle so rasch hatte entkommen können.
»Suko!« rief ich.
»Nein, John, hier ist die Hölle!«
Ich ließ Jezebel fliegen. Die Richtung hatte ich mir gemerkt. Jezebel bewegte sich nicht auf Euston zu. Zum Glück für die Menschen dort.
Dann tauchte ich in das Zelt.
Suko kniete neben einem Mann. Das mußte Beeler sein. Er sprach beruhigend auf ihn ein, denn der am Boden Liegende mußte Schreckliches durchgemacht haben.
Er war zudem nicht in der Lage, Suko eine Antwort zu geben. Irgend etwas klebte an seinen Lippen und am Kinn. So war er nicht mehr in der Lage, etwas zu erwidern.
Ich hörte ihn nur jammern und konnte endlich seinen Körper sehen, wobei mir der Atem stockte.
Beeler war gefesselt. So sah es beim ersten Hinsehen aus. Aber keine normalen Stricke. In diesem verdammten Fall war nichts, aber auch gar nichts normal. Etwas hatte ihn umwoben wie ein Kokon. Dicke Spinnweben, Fäden, die manchmal stärker als Finger waren.
Die waren bestimmt nicht aus der Luft gekommen. Während sich Suko um Beeler kümmerte und versuchte, ihn von den Fäden zu befreien, was mühevoll genug war, schaute ich mich in der unmittelbaren Umgebung um. Der Geruch nach Farbe war mir schon vorher aufgefallen. Beeler war dabeigewesen, eine Gondel anzustreichen, die zu seinem Karussell gehörte. Die anderen Gondeln standen im Hintergrund des Zeltes. Mir waren auch einige ungewöhnliche Reste aufgefallen, ganz in meiner Nähe.
Ich ging hin. Nein, es war kein trockenes Holz, wie ich zuerst gedacht hatte. Etwas anderes lag auf dem Boden. Bräunlich, aber auch grau, wie zerfetzt sah es aus. Von einer Waffe durchstochen, und ich wußte plötzlich, was da vor mir lag.
Die Reste einer Spinne, die einmal verflucht groß gewesen sein mußte.
Die Stärke und Dicke ihrer Fäden waren mit denen identisch, die Beeler gefangen hatten.
Sie war vernichtet. Regelrecht zerhackt worden. Wer hatte das getan?
Bestimmt nicht Jezebel. Das mußte Beeler gewesen sein, dessen Keuchen ich hörte.
Suko hatte es geschafft, ihn von einigen Fäden zu befreien. Besonders von denen, die sein Gesicht erwischt hatten, und so war es dem Mann möglich, auch zu reden.
Mit Suko hatte er schon gesprochen. Ich erfuhr von meinem Freund in Kurzform, was hier abgelaufen war. »Er war für Jezebel der Feind Nummer eins«, erklärte er.
»Warum?«
»Wie ich schon von Erica Wade erfuhr. Es liegt zehn Jahre zurück. Damals hat sie ihn schon gehaßt, und jetzt wollte sie ihn grausam sterben lassen. Er wäre erstickt. Zum Glück sind wir rechtzeitig gekommen.« Suko hob die Schultern. »Da gibt es aber noch ein anderes Problem«, sagte er mit leiser Stimme und drehte sich dabei um.
»Welches denn?«
»Die Spinne, John.«
»Die ist tot. Da vorn liegen die Reste.«
»Spaßvogel.«
Ich begriff. »Dann gibt es noch eine zweite?«
»Genau. Und sie hat Beeler töten wollen, während Jezebel dabei zuschaute und ihre Kommentare gab.«
Harrison Beeler hustete. Er saß noch immer. Ich schaute ihn an. An der Stirn malte sich eine Platzwunde ab, er mußte mit dem Kopf irgendwo gegengeschlagen sein. Beide Hände hatte er eingesetzt, um sich von den Fäden zu befreien, was ihm immer besser gelang.
»Es gibt
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