Jezebel
der Hütte zu. Das Megaphon trug er nicht mehr bei sich. Als er in Sprechweite stehenblieb, versuchte er, an mir vorbei in das Innere zu schauen, aber ich versperrte ihm das Blickfeld. »Was ist geschehen, Sinclair?«
»Todd lebt nicht mehr.«
Burns’ Kinnlade fiel nach unten. »Nein«, sagte er, als er sich wieder gefaßt und das Gesicht einen normalen Ausdruck angenommen hatte, »das darf doch nicht wahr sein. Er ist tot?«
»Wie ich es Ihnen sagte.«
Sein Mund zeigte ein schiefes Grinsen. »Jetzt mal langsam, Sinclair! Dann haben Sie ihn, ich meine…«
»Nein, nicht ich.«
Burns pustete mir den warmen Atem entgegen, der nach Schokolade roch. »Augenblick mal. Wenn Sie ihn nicht getötet haben, läßt das nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat er sich selbst umgebracht, oder es war ein anderer, den wir nicht gesehen haben, der in der Hütte lauerte.«
»Das sollte man meinen, Mr. Burns, aber das ist es auch nicht gewesen. Glauben Sie mir.«
»Ich falle bald vom Glauben ab, verdammt!«
»Das steht Ihnen frei. Ich kann Ihnen nur sagen, daß er nicht mehr lebt. Und ich werde Ihnen nicht erklären, wie er ums Leben gekommen ist, sondern Ihnen nahelegen, sich mit Ihren Leuten zurückzuziehen. Archie Todd hat mich gewollt, und das tat er nicht ohne Grund, wie ich jetzt weiß. Es ist mein Fall geworden. Sie haben Ihre Pflicht getan, Mr. Burns. Dafür bedanke ich mich.«
Das Grinsen verzerrte sich noch mehr. »Sie glauben doch nicht, Sinclair, daß Sie da so einfach rauskommen?«
»Warum nicht?«
»Es ist mein Job, alles aufzuklären, und das werde ich auch tun.«
Er kam noch näher an mich heran und plusterte sich auf wie ein Truthahn.
Ich blieb gelassen. »Bevor Sie etwas Unbedachtes tun, Mr. Burns, möchte ich Ihnen etwas zeigen.«
»Da bin ich gespannt.«
»Das dürfen Sie auch«, sagte ich und holte meinen Ausweis hervor. Es war hell genug, daß er die Sondervollmacht lesen konnte.
»Na und?«
Ich hob die Schultern. »Dank dieser Vollmachten darf ich Sie bitten, sich zurückzuziehen, Mr. Burns.«
Er überlegte. »Die gelten nicht für mich.«
»In diesem Fall schon.«
»Warum?«
»Weil hier etwas passiert ist, das über das normale Begreifen einer Situation hinausgeht. Archie Todd ist auf eine Art und Weise gestorben, die man schlecht erklären kann. Glauben Sie mir, ich habe damit nichts zu tun gehabt. Da waren andere am Werk.«
Er ging wieder zurück. »Ja«, sagte er leise. »Ja, man hat mich informiert. Man hat mir von Ihnen berichtet. Jemand in meiner Gruppe kannte sie vom Namen her. Es gibt da Dinge, die nicht in das Bild eines normalen Bullen hineinpassen.«
»Wie recht Sie haben. Deshalb habe ich Ihnen auch meinen Sonderausweis gezeigt.«
Burns überlegte, wie er reagieren sollte. Er hüstelte, schaute mich an, dann an mir vorbei, sah aber nichts und dachte daran, daß er sich unter Umständen großen Ärger einhandelte, wenn er jetzt auf stur schaltete.
Ganz ohne Gesichtsverlust wollte er sich nicht zurückziehen. »Das wird noch ein Nachspiel haben, Sinclair. Ich werde mich bei meinem Chef beschweren, und Sie werden zitiert werden, damit wir den Fall hier noch einmal aufrollen können.«
»Davor fürchte ich mich beileibe nicht, Mr. Burns. Es ist nun mal leider so, daß ich diesen Fall allein durchziehen muß. Er fällt in mein Gebiet. Warum, glauben Sie, hat Archie Todd ausgerechnet nach mir verlangt?«
»Das weiß ich noch immer nicht.«
»Aber ich.«
Noch einmal starrte er mich an. Dann nickte er. »Gut, ich werde mich mit meinen Leuten zurückziehen.«
»Danke.«
Burns drehte sich um und ging. Ich blieb noch vor der Tür stehen und schaute ihm nach, bis er seine Männer erreicht hatte und ihnen mit wütend klingender Stimme die entsprechenden Befehle gab. Erst dann ging ich zurück ins Haus, schloß die Tür, lehnte mich dagegen und atmete tief durch.
Käfer sah und hörte ich nicht. Es blieb still. Nur die beiden Kerzen leuchteten wie zwei einsame Totenlichter, als wollten sie Archies Geist den Weg ins Jenseits weisen.
Daß die Männer des Einsatzkommandos abfuhren, war zu hören. Ich drehte mich wieder um und ging zu Archie, der steif am Boden lag. Die Augen hielt er verdreht, und nicht einen Funken Leben entdeckte ich in ihnen.
Jetzt hätte ich eigentlich die Kollegen der Mordkommission holen müssen. Genau das wollte ich nicht tun, und deshalb hatte ich Bums und seine Mannschaft auch weggeschickt. Längst hatte sich in meinem Kopf ein anderer Plan festgesetzt. Ich
Weitere Kostenlose Bücher