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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Autoren: Michael Ende
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vorhanden sind.«
    »Ohne Ausweis«, ergänzte der dritte, »gibt es Sie gar nicht, amtlich gesehen! Also können Sie auch nicht zum Kaiser gehen. Denn ein Mensch, den es nicht gibt, kann ja nirgendwo hingehen. Das ist logisch.«
    Und die Bonzen nickten einander zu, und die Schreiber kicherten und schrieben es für die Nachwelt auf.
    »Aber wir stehen doch hier!« bemerkte jetzt Jim. »Also gibt’s uns doch.«
    »Das kann jeder sagen«, erwiderte der Oberbonze lächelnd. »Das ist noch lange kein Beweis«, sagte der zweite Bonze.
    »Jedenfalls nicht amtlich gesehen«, fügte der dritte hinzu. »Wir können Ihnen höchstens einen vorläufigen Ausweis ausstellen«, schlug der Oberbonze herablassend vor. »Das ist aber wirklich alles, was wir für Sie tun können.«
    »Gut«, sagte Lukas, »können wir damit zum Kaiser?«
    »Nein«, sagte der zweite Bonze. »Zum Kaiser können Sie damit natürlich nicht.«
    »Was können wir denn damit?« erkundigte sich Lukas.
    »Gar nichts«, sagte der dritte Bonze lächelnd. Und wieder fächelten sich die drei Bonzen und nickten einander zu, und die Schreiber kicherten beifällig und schrieben die geistreichen Worte ihrer Vorgesetzten auf.
    »Jetzt will ich euch mal was sagen, meine Herren Bonzen«, sagte Lukas langsam. »Wenn ihr uns jetzt nicht sofort zum Kaiser bringt, dann werden wir euch schon beweisen, daß es uns gibt. Auch amtlich gesehen!« Dabei ließ er sie ein wenig seine große schwarze Faust sehen, und auch Jim zeigte seine kleine schwarze Faust.
    »Hüten Sie Ihre Zunge!« zischte der Oberbonze mit tückischem Lächeln. »Das ist Bonzenbeleidigung! Dafür könnte ich euch beide sofort in den Kerker werfen lassen.«
    »Na, das ist doch die Höhe!« rief Lukas, der nun wirklich langsam anfing, die Geduld zu verlieren. »Ihr wollt uns wohl absichtlich nicht zum Kaiser lassen, wie?«
    »Nein«, erwiderte der Oberbonze.
    »Niemals!« riefen nun auch die Schreiber und schielten zu den Bonzen hinauf.
    »Und warum nicht?« fragte Lukas.
    »Weil ihr Spione seid«, antwortete der Oberbonze und lächelte triumphierend. »Ihr seid verhaftet!«
    »So!’«sagte Lukas mit gefährlicher Ruhe. »Ihr glaubt wohl, ihr könnt uns zum Narren halten, ihr dicken, dummen Bonzen? Aber da seid ihr bei uns an die Falschen geraten.«
    Damit ging er zuerst auf die Schreiber zu, nahm ihnen die Pinsel aus der Hand und schlug sie ihnen um die Ohren. Di e Schreiber fielen sofort um und begannen, jämmerlich zu schreien.
    Dann packte Lukas, ohne dabei die Pfeife aus dem Mund zu nehmen, Herrn Pi Pa Po, hob ihn hoch, drehte ihn in der Luft um und steckte ihn mit dem Kopf zuunterst in einen Papierkorb. Der Oberbonze schrie und heulte vor Wut und zappelte mit den Beinen, aber er konnte sich nicht befreien. Er saß zu fest.
    Darauf ergriff Lukas mit jeder Hand einen der beiden anderen Bonzen am Kragen, stieß mit dem Fuß das Fenster auf und hielt sie am ausgestreckten Arm hinaus. Die beiden Bonzen jammerten, wagten aber nicht zu zappeln, weil sie Angst hatten, Lukas würde sie fallen lassen. Und an dieser Stelle ging es gerade ziemlich tief hinunter. Sie hingen also ganz still und blickten mit blassen Gesichtern in die Tiefe.
    »Na?« knurrte Lukas, die Pfeife zwischen den Zähnen, »wie gefällt euch das?« Dabei schüttelte er die beiden ein bißchen, worauf sie anfingen, mit den Zähnen zu klappern. »Führt ihr uns jetzt sofort zum Kaiser oder nicht?«
    »Ja, ja!« wimmerten die beiden Bonzen.
    Lukas holte sie wieder herein und stellte sie auf ihre zitternden Beine.
    Doch in diesem Augenblick erschien die Palastwache in der Tür. Das Geschrei des Oberbonzen hatte sie alarmiert. Alle dreißig Mann drängten sich in das Zimmer und gingen mit gezogenen Säbeln auf Lukas und Jim los. Schnell sprangen die beiden in eine Ecke des Zimmers, um Rückendeckung zu haben. Jim stellte sich hinter Lukas, der die Schwerthiebe mit Stuhlbeinen abfing und das Tischchen eines Schreibers als Schild benützte. Aber er mußte bald ein anderes Tischchen und ein anderes Stuhlbein nehmen, weil die ersten von de n Schwertern zerhauen waren. Jim reichte sie ihm schnell hin. Aber es war vorauszusehen, daß die Freunde nicht allzulang würden Widerstand leisten können, weil ja im ganzen nur drei Tischchen und drei Stühle da waren. Bald mußte der Vorrat zu Ende sein, und was dann?
    Da der Kampf ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, bemerkte weder Lukas noch Jim das erschrockene Gesichtchen, das plötzlich in der offenen
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