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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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sagen:
    »Jetzt geht mir ein Licht auf! Natürlich, das ist es!«
    »Was?« fragte Jim.
    »Hast du schon mal was vom Spiegelkabinett der Fata Morgana gehört?«
    »Nein«, antwortete Jim, »was für ein Vater?«
    »Nicht Vater!« schmunzelte Lukas, »Fata Morgana! Komm zurück in die Emma, dann erkläre ich dir die Sache. Hier draußen ist es ja so heiß wie in einer Bratpfanne.«
    Sie stiegen wieder in ihr Führerhäuschen, und während der Weiterfahrt erklärte Lukas seinem Freund Jim die Sache mit dem Spiegelkabinett der Fata Morgana.
    Ein Spiegelkabinett gibt es ja manchmal auf dem Jahrmarkt. Es ist eine Art Zimmer aus lauter Spiegeln. Wenn man da hineingeht, kann man ganz irr werden, weil man niemals weiß, was Spiegelbild und was Wirklichkeit ist. Auf dem Jahrmarkt ist das ganz lustig, weil notfalls immer jemand da ist, der einen wieder herausführt. Aber in der Wüste ist das schon eine andere Sache!
    Eine Fata Morgana besteht freilich nicht aus Spiegeln. Wo sollten denn auch in einer Wüste auf einmal all die Spiegel herkommen? Nein, man sagt nur so, weil es sich um etwas Ähnliches handelt. Eine Fata Morgana ist eine sogenannte Naturerscheinung. Wenn die Sonne auf die Sandfläche niederbrennt, wird die Luft sehr heiß. Und dann wird sie noch heißer. Und schließlich fängt sie an, vor Hitze zu flimmern. Und wenn die Luft nun immer noch glühender wird, dann fängt sie plötzlich an zu spiegeln wie ein richtiger Badezimmerspiegel. Sie spiegelt aber nicht nur Dinge, die in der Nähe sind, sondern holt im Gegenteil die Spiegelbilder am liebsten von sehr weit her. Dann erscheinen plötzlich Sachen, die viele, viele Meilen entfernt sind. Zum Beispiel kann es geschehen, daß Leute, die in der Wüste wandern, plötzlich vor sich ein Gasthaus erblicken, an dem ein Schild hängt mit der Aufschrift:
    FRISCHE LIMONADE, Glas 10 Pfg.
    Und wenn sie dann hinlaufen, weil sie vielleicht gerade schrecklichen Durst haben, dann ist alles wieder verschwunden. Dann haben sich die Leute verirrt und wissen nicht mehr, wo sie sind.
    Natürlich kann es leicht vorkommen, daß die Spiegelbilder bei dem weiten Weg, den sie bis in die Wüste zurücklegen müssen, ein bißchen durcheinander geraten. Dann gibt es so kuriose Erscheinungen, wie sie den beiden Freunden begegnet waren.
    »Und zum Schluß«, beendete Lukas seine Erklärung, »zum Schluß haben wir sogar unser eigenes Spiegelbild gesehen. Als der leichte Wind aufkam, da kühlte sich die Luft ein wenig ab und hörte auf zu spiegeln.«
    Jim dachte eine Weile schweigend nach, dann sagte er bewundernd:
    »Ich glaube, es gibt einfach nichts, was du nicht weißt, Lukas.«
    »Doch«, antwortete Lukas und lachte, »es gibt eine ganze Menge Dinge, die ich nicht weiß. Zum Beispiel weiß ich nicht, was das da vorne ist.«
    Sie spähten beide angestrengt auf die Strecke hinaus. »Mir scheint, da is’ eine Spur im Sand«, sagte Jim. »Richtig«, brummte Lukas. »Sieht aus wie eine Wagenspur.«
    »Wenn es nur nicht wieder eine Fata is’«, meinte Jim besorgt. »In so einer Wüste weiß man ja nie, ob man eine Naturerscheinung vor sich hat oder nicht.«
    Sie fuhren näher, aber diesmal verschwand das Bild nicht. Es waren tatsächlich Spuren im Sand, Spuren von Wagenrädern.
    »Das sieht aus«, stellte Jim fest, »als ob hier schon vor uns jemand gefahren is’.«
    Lukas brachte Emma zum Stehen, stieg aus und untersuchte die Spuren.
    »Verflixt!« sagte er schließlich und kratzte sich hinter dem Ohr, »hier ist wirklich schon jemand vor uns gefahren. Und weißt du auch wer?«
    »Nein. Wer denn?«
    »Wir selbst. Das ist Emmas Spur. Scheint fast, als ob wir in einem Riesenkreis zu unserer eigenen Spur zurückgekommen sind.«
    »Du lieber Himmel!« rief Jim entsetzt. »Wir müssen aber doch irgendwie aus dieser schrecklichen Wüste wieder herausfinden!«
    »Stimmt!« bestätigte Lukas. »Fragt sich nur wie!« Er schaute sich prüfend um.
    Rechts von ihnen fuhr eben ein Dampfer über den Himmel, aus dessen Schornstein große bunte Seifenblasen aufstiegen.
    Links stand ein alter Leuchtturm. Auf seiner obersten Galerie machte ein Walfisch Kopfstand. Hinter sich erblickte Lukas ein stattliches Warenhaus, aus dessen Fenstern und Türen Bäume herauswuchsen. Und vor sich sah er eine lange Reihe Telegrafenstangen. Auf den Drähten ging eine Nilpferdfamilie spazieren.
    Lukas blickte zum Himmel hinauf. Die Sonne stand dreimal an ganz verschiedenen Stellen. Es war unmöglich festzustellen, welche davon

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